Sahelzone: Wie es einzelne Bauern schafften, eine ganze Region vor der Verwüstung zu retten
Nicht nur die Agrarindustrie bedroht weltweit die traditionelle Landwirtschaft – manchmal ist es auch das Althergebrachte selbst, wenn es nicht genügend den veränderten Umweltbedingungen und sozialen Entwicklungen angepasst wurde. Wo in früher Zeiten Menschen einfach verhungert sind oder wegzogen, gibt es heute Austausch- und Unterstützungsmöglichkeiten und wissenschaftliche Forschung, wie man sich den neuen Bedingungen anpassen bzw. gemachte Fehler korrigieren kann. Noch immer bedarf es allerdings herausragender Persönlichkeiten, Neugierige und Querköpfe aus den betroffenen Communitys selbst, die diese Veränderungen durchsetzen – und im Zweifel auf die besten Ideen selbst kommen, oft mit Rückgriff auf vergessenes oder falsch angewandtes traditionelles Wissen. Beispiel dafür sind zwei Erfolgsgeschichten aus der Sahelzone, wo kein staatliches Programm und kein Entwicklungshilfeprojekt zu fassen schien.
Ein „verrückter“ Bauer rettet ein ganze Region
Berühmt wurde der Bauer Yacouba Sawadogo aus Burkina Faso, der das Leben von tausenden Menschen transformierte. Er hatte in den 1980ern begonnen, mit traditionellen Mitteln ein Stück Erde zu bebauen, das längst verloren geglaubt schien. Die Gegend am südlichen Rand der Sahelzone hatte gerade eine weitere längere Dürre hinter sich, die durch Abholzung und Überweidung verstärkt worden war. So wurde die Erosion des fruchtbaren Bodens gefördert und der wenige Regen drang nicht ein. Das Problem war auch international bekannt – ich kann mich erinnern, dass ich davon sogar in der Schule hörte, zu ebenjener Zeit. Es gab jedoch keine effektiven institutionellen Projekte, um es zu lösen.
Heute bekommt Sawadogo Besuch von internationalen Agrar-Experten. Diese müssen ihn höchstpersönlich auf seinem abgelegenen Stück Land aufsuchen, da er weder Internet noch ein Telefon hat und auch die Post nur sporadisch kommt. Er hatte es nicht nur geschafft, mit einer Mischung aus vergessenen althergebrachten Techniken, vor allem das Zaï, und eigenem Experimentieren das karge Stück Land in ein Hirsefeld zu verwandeln. Auf gleiche Weise pflanzte er auch Baumsamen. Jetzt ist sein Wald aus Affenbrot-, Tamarinden-, Niem- und Nérébäumen, in dem sich auch eine einzigartige Tierwelt angesiedelt hat, sowohl eine lokale als auch internationale Attraktion. Sawadogo, der schon als Kind mit traditionellen Anbau- und Heilmethoden in Berührung gekommen war, ist heute lokaler Medizinmann und Agrarexperte in einem. Die anderen Bauern kommen zu ihm, um sich Rat zu holen.
Diese hatten ihn lange für einen eigenbrödlerischen Spinner gehalten. Erst als sein Vorgehen nach Jahren vorzeigbare Erfolge vorwies und auch das staatliche Agrarministerium auf ihn aufmerksam wurde, begannen sie ihn anzuerkennen. So konnte nicht nur die Ausdehnung der Wüste aufgehalten werden, sondern die Bauern der Region ernten mit Sawadogos Methoden teilweise das dreifache der Erträge, die sie vor der verheerenden Dürre Ende der 70er, Anfang der 80er erzielten.
‚The Man Who Stopped The Desert‘ trailer from Mark Dodd on Vimeo.
Bürgermeister als Vorbild
Ähnliches trug sich 20 Jahre später im nördlichen Äthiopien zu, in der Provinz Tigray am nordöstlichen Ausläufer der Sahelzone. Noch vor wenigen Jahren sollte hier ganze Dörfer evakuiert werden, weil der Boden verdorrt und die Bewohner/innen scheinbar dauerhaft von Hilfe von außerhalb abhängig waren. Auch hier war das Problem neben ausbleibendem Regen die Überweidung, die Abholzung und ein schlechtes Wassermanagement.
Hier war es Gebremichael Gidey Berhe, Bürgermeister des Örtchens Abrha Weatsbha, der die Initiative ergriff: Er hatte es satt, dass sein Dorf nicht für sich selbst sorgen konnte, und spätestens die Angst vor Umsiedlung brachte alle Bewohner dazu, bei seinem 2004 begonnenen Projekt mit anzupacken. Schon 1998 hatte die äthiopische Regierung einen neuen Landnutzungsplan als Alternative zur Umsiedlung der 5000 Bewohner angeboten. Mit finanzieller Unterstützung sollten die Anwohner alle Bauarbeiten selber leisten. Gemeinsam bot man der Bodenerosion Einhalt, in dem man Terrassen an die trockenen Hügel baute, Brunnen bohrte und Bewässerungsgräben aushob. In frisch gebauten Auffangbecken wird das Wasser gespeichert. Die Rinder werden jetzt in Umzäunung gehalten, damit sie nicht jedes keimende Grün gleich wieder wegfressen. Neben Obstbäumen wurden 224,000 Hektar mit Waldbäume wieder aufgeforstet, die nachhaltig bewirtschaftet werden. Sie liefern Biomasse, halten den Boden fest und sind Wasserspeicher.
Die meisten Methoden waren weder neu noch kompliziert – nur mussten die Menschen dazu gebracht werden, aus ihrem alten Trott auszusteigen, neugierig zu werden und gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Er selbst ging im Alltag mit gutem Vorbild voran und konnte zudem finanzielle Unterstützung u.a. durch das United Nations Development Programme und das World Food Programme sichern. Die Abrha Weatsbha Initiative wurde im vergangenen Jahr mit einer Preis für nachhaltige Community-Projekte der Equator Initiative der UN ausgezeichnet.
Auch hier konnten die Methoden mit Hilfe von institutioneller Unterstützung und wissenschaftlicher Erforschung im In- und Ausland erfolgreich auf eine ganze Region übertragen werden. Mittlerweile gibt es 350 ähnliche Projekte im ganzen Land, die staatlich koordiniert werden. Wo noch vor wenigen Jahren Kargheit und Bodenerosion, Hunger und Verzweiflung das Bild prägten, wachsen heute zwischen Bäumen auf grüne Feldern Mais, Kohl, Tomaten und Mangos (s. u.a. Fotostrecke beim World Food Programme und beim Equator Prize des United Nations Development Programme).
Bildquellen: Standbild aus The Man Who Stopped the Desert / Wikipedia (Alan Davey)
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