Flugwindkraftanlagen: Höhenwinde als neue günstige erneuerbare Energiequelle
Flugwindkraftanlagen, die die Energie der Höhenwinde ernten, sind eine Idee aus den 60ern. Fliegende Turbinen im Jetstream sind noch immer Zukunftsmusik – aber die Nutzung von Winden bis 800 Metern nimmt langsam reale Formen an. Von NASA und Google über mittelständische Betriebe bis zu einer Grassroots-Bewegung sind alle dabei.
In den 60er Jahren entstanden die ersten Ideen zu Fliegenden Windkraftanlagen. Diese sollen für die Energierzeugung die starken und konstanten Luftströmungen in größeren Höhen, bis hin zum Jetstream, nutzen. Feste Windkrafträder erreichen derzeit maximal 200 Meter. Für diese ingenieurtechnische Herausforderung gibt es zwei verschiedene Grundideen: Einmal wird an Turbinen gearbeitet, die in der Luft fliegen und über ein Kabel einerseits den erzeugten Strom zum Boden leiten und über dieses auch bei Reparaturbedarf oder Notfällen rückholbar sind. Ein anderes Prinzip arbeitet mit Lenkdrachen, die am Boden befindliche oder auf See verankerte Generatoren betreiben. Es gibt aerostatische und aerodynamische Ansätze.
Technische Herausforderung
Die Idee klingt gut, ist aber in der Realität schwer umzusetzen. Einerseits muss die Technik selber funktionieren, und dann unter schwierigen Rahmenbedingungen: So stellen Gewitter ein Problem dar, es muss darauf geachtet werden, dass es keine Kollisionen mit dem regulären Luftverkehr gibt, und fliegende Turbinen können abstürzen und Menschen und Gebäude bedrohen. Ein Experte vergleicht die aktuelle Entwicklung auf dem Gebiet mit den Anfängen der Luftfahrt. Seit Mitte, Ende der 00er Jahre gibt es Bewegung auf dem Gebiet, es gibt viele meist kleiner Projekte, die verschiedene Ansätze ausprobieren. Ähnlich wie bei der Solarenergie ist hier die Entwicklungsphase der Technologien lange und kostspielig, das Ergebnis aber ist eine günstige und dezentrale Energiequelle.
Turbinen auf Lenkdrachen und in Helium-Ballons
Manaki Power arbeitet seit 2006 an autonomen Flugzeugen, auf deren Hauptflügel die Turbinen befestigt sind. Das Grundprinzip beruht auf der Funktion von Lenkdrachen, wie sie von Miles L. Loyd seit den 70ern entwickelt wurden. Sie fliegen im Kreis und sind mit einem Seil konstanter Länge, das auch den Strom mit Hochspannung ableitet, mit der Erde verbunden. Manaki erhielten sogar Fördergelder aus dem inzwischen eingestellten Google-Projekt Renewable Energy cheaper than Coal und dem US-Energieministerium. Manaki Power wurde im Frühjahr von mysterösen Google X aufgekauft, wo man nicht so richtig weiß, ob da im Geheimen Großes entsteht oder nur gescheiterte Projekte verwaltet werden. Die kleine kanadische Firma Magenn, die mit innovativen fliegenden Windkraftturbinen vor einigen Jahren aufsehen erregte, ist anscheinend seit 2012 insolvent. Ihr System beruht auf einer Art Ballon, der mit Helium gefüllt ist. Dieser ist mit Turbinen ausgestattet und rotiert auf einer horizontalen Achse um sich selbst. Er funktioniert nach dem Prinzip des Widerstandsläufers.
Segel, Drachen und Ballons
Dafür kommen aktuell von europäischen Firmen interessante Ansätze. Die Hamburger Firma SkySails entwickelte und verkauft seit Jahren Windschirme, so genannte Zugdrachen, mit denen große Schiffe dank Windkraft Treibstoff sparen. Aufgrund dieser Erfahrung bieten sie jetzt die bisher beste funktionierende Lösung an, die in diesem kleinen Film gezeigt wir: Winddrachen fangen über Bewegung die Windkraft in 200-800 Meter Höhe ein. Sie sind an kleinen Masten befestigt, in denen sich die Generatortrommel befinden. Diese Masten lassen sich wie Bojen bis in 700 Meter Wassertiefe verankern (bei festen Offshore-Anlagen geht das nur bis 50 Meter, sonst wäre es unökonomisch). Die so hergestellte Energie soll 30% billiger sein als die von herkömmlichen Offshore-Parks, mit Stromgestehungskosten von 0.02 €/kW auch günstiger als die meisten anderen Herstellungsmethoden. Auch diese Technologie ist noch nicht ganz marktreif.
SkySails GmbH – Power from floba on Vimeo.
Ebenfalls in den Startlöchern, wenn auch mit weniger konkreter Erfahrung, steht die brandenburgische Firma EnerKite. In diesem Zeit-Video erklären sie ihre Idee, die ähnlich dem Prinzip vom SkySails ist, nur landbasiert. Windschirme, die in 200-500 Meter Höhe fliegen, übertragen die Windkraft über ein Seil an eine Generatortrommel am Boden. Dabei wird mit nur 10% des für herkömmliche Windräder eingesetzten Materials gearbeitet. Die erste teils automatisch und teils noch mit der Hand gesteuerte Probeanlage mit 30 KW Nennleistung ist bereits in Betrieb. Marktreife Produkte sollen dann 500 KW pro Anlage liefern, wobei die Maschinenhäuser nicht größer sein sollen als die herkömmlicher Windräder.
Einen anderen Ansatz hat die Turbine, die von Atena Engineering entwickelt worden ist. Die Firma wurde allerdings von einem Konzern geschluckt und die Entwickler suchen nach Investoren. Es handelt sich um ein Leichter-als-Luft-Konzept. Die Anlagen sollen in einer Höhe von einigen hundert Metern schweben. Die Anordnung der Rotoren ähnelt dabei der einer konventionellen Windkraftanlage, was einen vergleichsweise hohen Wirkungsgrad bedeutet.
Die in Italien entwickelte Twind Technology nutzt zwei am Boden verankerte Ballons auf 800 Meters Höhe. Über die Seile wird Kraft auf eine Plattform am Boden ausgeübt. Durch die alternative Bewegung der Ballons, die über das Ausfahren von Segeln erreicht wird, kann die Achse eines Generators betrieben werden, um Strom zu erzeugen, oder es können auch andere Bewegungen ausgeführt werden.
Der niederländische Ex-Astronaut und Physiker Wubbo Ockels entwickelte an der Delft University of Technology ein Flugwindkraftanlage namens Laddermill. Eine Kabeltrommel am Boden ist mit dem Lenkdrachen verbunden. Dieser bewegt sich in einem achtförmigen Loop, so dass er immer wieder angezogen und losgelassen wird. Der Drachen fliegt so im Wind, dass die erzeugte Energie erheblich größer ist als die verbrauchte – also das Grundprinzip, was auch SkySails und EnerKite verwenden und was möglicherweise dort Vorbild war. Auch hier wird noch weiter geforscht. Auch die NASA ist seit einige Jahren intensiver auf dem Gebiet aktiv.
Laddermill animation from Jeroen Breukels on Vimeo.
Hippies, ein Film und eine Konferenz
Allerdings geht es auch ganz ohne große Technologie, wie der Filmemacher Chase Honaker in seinem neuen Film AWE über die Szene derjenigen zeigt, die mit Lenkdrachen Windenergie erzeugen wollen – neben den Firmen und Institutionen gibte es offenbar auch eine alternative Grassrootsszene, die diese Technologie für den Hausgebrauch nutzt (s.u.)
Für alle, die mehr zum Thema wissen wollen, ist möglicherweise die internationale Airborne Wind Energy Conference 2013 des Bundesverbands Hoehenwindenergie e.V. (BHWE) einen Besuch wert. Sie findet am 10. und 11. September in Berlin die statt. Neben Sprecher/innen u.a. von den hier aufgeführten Firmen, Instituten und Projekten wird auch der Film von Honaker gezeigt.