Tame – Kontextsuchmaschine für Twitter, nicht nur für Journalisten
Tame ist eine Kontextsuchmaschine, die relavante Informationen aus dem Rauschen des Twitterstroms suchen soll. Frederik Fischer, Geschäftsführer und Mitgründer des Start-Ups, stellt ihre Funktion und den Gedanken dahinter vor.
Wer mit dem Internet aufgewachsen ist, kann mit herkömmlichen Medien immer weniger anfangen. In Zeiten Sozialer Netzwerke hat man Breaking News am schnellsten bei Twitter, Facebook & Co aufgeschnappt und schon die Tagesthemen am selben Abend wirken heillos veraltet. Die Ruhe, auf eine gründlichere Analyse am nächsten Tag zu warten, bringen deshalb immer weniger Menschen mit.
Da sich aber nicht nur die Lesegewohnheiten des Publikums ändern, sondern auch die Wege, wie Journalisten selbst an ihre Informationen gelangen, ist eine der Hauptfragen heute: Wie verschaffe ich mir einen Überblick zwischen den unendlich vielen Informationshäppchen? Wie unterscheide ich Relevantes vom Hintergrundrauschen?
Wenn irgendwo auf der Welt etwas passiert, sei es eine Demonstration, die sich zur Revolution entwickelt, eine Naturkatastrophe oder ähnliches, sind die ersten Augenzeugen vor Ort selten Journalisten im engeren Sinne. Dieses Jahr zeigten besonders die Proteste im Istanbuler Gezi-Park und die Demonstrationen in Brasilien eindrucksvoll, welchen enormen Stellenwert Soziale Netzwerke mittlerweile für die lokale und internationale Informationsversorgung erlangt haben. Erstens, da die Bevölkerung vor Ort sie zur Außendarstellung bis hin zur internen Organisation nutzt, und zweitens da sie für Journalisten nicht selten die einzige Chance sind, an Informationen zu gelangen – noch bevor Korrespondenten vor Ort sind.
Twitter als Nachrichtenquelle
In Sozialen Medien finden jedoch keinesfalls nur die ganz großen Geschichten statt. Besonders das Mikobloggingnetzwerk Twitter hat sich mittlerweile zur wichtigsten Online-Quelle für Nachrichten aller Art entwickelt. Schon die Beschränkung von 140 Zeichen pro Tweet zwingt die Menschen dazu, sich auf das Notwendigste zu beschränken. Eben diese Kurznachrichten werden oft von sehr vielen Menschen geteilt und verbreiten sich so wie ein Lauffeuer.
Journalisten bietet deshalb besonders diese Plattform spannende Möglichkeiten für ihre Arbeit: Nirgends finden sie schneller Echtzeitinformationen, d.h. Informationen über Dinge, die gerade jetzt passieren von Menschen, die gerade jetzt vor Ort sind. Ebenso können Journalisten mit ihren Followern interagieren und so wieder näher an ihr Publikum heranrücken. Wer weiß, was seine Leser interessiert, kann auch Artikel publizieren, die gerne gelesen werden.
Bei der Recherche via Twitter wird man als Journalist jedoch schnell auch mit den Nachteilen des Netzwerks konfrontiert. So unternehmen die Twitter-Betreiber selbst kaum Anstalten, die unüberschaubare Masse an Tweets in irgend einer Hinsicht zu sortieren. Relevante Informationen stehen gleichberechtigt neben Katzenfotos oder den obligatorischen Tweets über Justin Bieber. Schlimmer noch: Relevantes verschwindet nicht selten zwischen all dem Hintergrundrauschen. Um die wirklich wichtigen Informationen mitzubekommen, müsste man schon rund um die Uhr vor seinem Twitter-Account sitzen – oder aber eine Lösung finden, den Twitterstrom zu bändigen.
Auf der Suche nach Durchblick
Die oben geschilderten Probleme haben wir als Journalisten am eigenen Leib erlebt. Das Potential Sozialer Medien und besonders von Twitter ist uns schon lange bewusst. Für die tägliche Arbeit fehlte jedoch ein Mittel, um mehr Durchblick und Einordnung der diversen Informationen zu erhalten.
Unser Ziel war es dabei von Anfang an, den Informationswust in Sozialen Netzwerken zu sortieren und dabei auch eine neue Art von Journalismus zu unterstützen. Sozialen Medien leben eben nicht mehr nur von offiziellen Nachrichten, die zur Veröffentlichung ausgewählt wurden. Ein Internetzugang und ein freies Netz vorausgesetzt, kann hier jeder Informationen publizieren, die bei entsprechender Verbreitung von unzähligen Menschen weltweit gelesen werden können. Ein wichtiges Schlagwort ist hier der sogenannte “Gatekeeper”: In der Nachrichtenforschung bezeichnet man so die (idealtypische) Person, die entscheidet, welche Informationen den Weg in die Massenmedien finden und welche aus unterschiedlichsten Gründen nicht publiziert werden. In Zeiten des Internet und besonders der Sozialen Netzwerke wird diese Funktion der Massenmedien immer weiter eingegrenzt, da nun potentiell jeder Nutzer und auch jeder Journalist an der Verbreitung von Informationen teilhaben kann.
Voraussetzung für diese Art eines neuen Journalismus ist es jedoch, die relevanten Informationen überhaupt zu finden. Unser Gründerteam aus zwei Journalisten und einem Software-Entwickler machte sich deswegen auf den Weg, mit Tame eine Kontextsuchmaschine für Twitter zu entwickeln. Diese bringt Ordnung in das Twitter-Chaos und sortiert mit Hilfe eines Algorithmus die anfallenden Tweets in Top 10-Listen der relevantesten Links, Hashtags und User ein. Jeder auf der Suche nach Informationen erhält so einen schnellen Überblick, was in seinem eigenen Netzwerk, aber auch in ganz Twitter zurzeit am wichtigsten ist.