„Terra Preta“ – Schwarzerde der Amazonas-Kultur als Rettung für die weltweit ausgelaugten Böden
Die so genannte Grüne Revolution versprach in den 60ern, die Krise der Nahrungsmittelversorgung der Welt zu lösen. Inzwischen zeigt sich, dass sowohl hybride und ggf. genmanipulierte Hochertragssorten nicht die Lösung sind, als auch die industrielle Landwirtschaft eher negative als positive Auswirkungen hat. Nicht nur werden so große, global agierende Konzerne bevorzugt, während lokale Landwirtschaftsstrukturen weltweit zusammenbrechen, sondern es wird auch die Saatgutvielfalt vernichtet, Pestizide verseuchen den Boden, die Menschen und die landwirtschaftlichen Produkte.
Zudem werden die Böden ausgelaugt – sie erhalten mineralischen Dünger, aber der organische kommt zu kurz. Durch Tiefenpflügen und Pestizide die wichtigen Bodenorganismen gestört bzw. ganz abgetötet. Von den nicht bepflanzten Äckern wird die über Jahrhundete entstandene Humusschicht weggeweht. Nicht nur in fernen Ländern, sondern auch hier in Deutschland erleben die Böden einen erschreckenden Rückgang des Humusgehalts – in Brandenburg hatte der sandige Boden vor 150 Jahren immerhin noch 4 Prozent davon – jetzt sind es 0,1 Prozent und weniger. Die Magdeburger Börde, eine der humusreichsten Böden Deutschlands, kommt gerade noch auf maximal 2 Prozent – einst waren es 7 – 14 Prozent. Und selbst wenn man auf Kunstdünger setzt – dessen zentraler (und umweltschädigender) Rohstoff Phosphat, aus Phosphor gewonnen, geht in wenigen Jahrzehnten aus. Umgekehrt verursachen die in die Ozeane gespülten industriellen Düngemittel die seit den 1960ern kontinuierlichen so genannten „Todeszonen“ in den Ozeanen, die entscheidend zum befürchteten Austerben der Salzwasserfische beitragen.
Das schwarze Gold des El Dorado
Terra Preta, die schwarze Erde der Amazonas-Kultur, kann hier die Rettung sein. Sie ist das Produkt aus den Abfallgruben einer Zivilisation, die den Viren und Bakterien der Europäer zum Opfer fiel, bevor sie von diesen überhaupt bemerkt wurde. So hielt man die Berichte der frühen spanischen Eroberer über große, komplexe Siedlungen mitten im Regenwald jahrhundertelang für Hirngespinste. Der Urwald hatte die Reste der Zivilisation innerhalb weniger Jahrzehnte überwuchert. Die überlebenden Amazonas-Indianer hielt man für Überbleibsel der Steinzeitkultur.
Während die Strukturen der früheren Siedlungen erst in den letzten Jahren via Google Earth und aufgrund der rücksichtslosen Brandrodungen im Regenwald wiederentdeckt wurden, fand man bereits in den 60er Jahren ein ganz anderes Erbe dieser untergegangenen Kultur. Dieses ist im Zweifel wertvoller als große Bauwerke oder das Gold des El Dorado, was die spanischen Eroberer vergeblich im Regenwald suchten: Eine merkwürdige schwarze Erde, mitten im unfruchtbaren Regenwaldboden. Diese ist nicht nur eine der fruchtbarsten Erden der Welt, sondern sie behält diese Fruchtbarkeit auch auf Dauer und regeneriert sich – im Gegensatz zu den aktuellen Brandrodungen im Regenwald, wo nach wenigen Jahren der Boden ausgelaugt bzw. weggespült ist.
Suche nach dem Geheimnis der Wundererde
Wissenschaftler/innen versuchten lange vergeblich, der Wundererde ihr Geheimnis zu entlocken. Man fand in der Terra Preta neben diversen Tonscherben auffällig viele Holzkohlestückchen, aber auch menschliche und tierische Fäkalien und Küchenabfälle. Erste Arbeiten dazu gab es auch in Deutschland Ende der 70er. Seit ein paar Jahren ist das Thema wieder hochaktuell. Es gibt mehrere wissenschaftliche Projekte, die sich damit befassen, z.B. an der Uni Halle, bei den Abwasserforschern der TU Hamburg Harbug, oder der FU Berlin. Aber auch einzelne Aktivist/innen wie der Biologe Dr. Jürgen Rekin, oder Geschäftsleute wie die Betreiber von Palaterra haben mit Rezepten für das Schwarze Gold der Indios experimentiert. Inzwischen hat sich eine ganze Undergroundszene aus Terra-Preta Begeisterten entwickelt, die sich das wiedergefundene Wissen um den Dauerhumus zunutze macht. Aber auch ganz „normale“ Kleingärtner/innen können inzwischen von verschiedenen Anbieter/innen selbstgemachte Terra-Preta-Versionen erwerben.
Inzwischen hat man herausgefunden, dass es vor allem die so genannte Pflanzenkohle (Holzkohle aus Holz oder anderen Pflanzenresten) ist, die die Terra Preta von anderen Schwarzerden unterscheidet – sie ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass sowohl Feuchtigkeit als auch Nährstoffe über lange Zeit in der Erde gespeichert werden. So kann sich ein reiches Leben an Mikroorganismen und Insekten entwickeln, dass neue organische Stoffe, wie z.B. Laub, Fäkalien oder Küchenabfälle, zu neuer fruchtbarer Erde verwandelt, und den Boden auch locker und luftig. Die Biokohle verhindert auch, dass ein großer Anteil der organischen Substanz vollständig zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut wird, wie es bei herkömmlichem Kompost der Fall ist. „In den Boden eingemischt, scheint die Holzkohle [auch] als Biokatalysator zu wirken, indem sie die Ausbeute an Humus entscheidend verbessert: Offenbar bewirkt sie, dass die relativ kleinen und instabilen Huminsäuremoleküle rascher als gewöhnlich zu stabilen Großmolekülen verkettet werden,“ erklärt Terra-Preta-Aktivist Jürgen Rekin.
Wie kann uns Terra Preta helfen?
Dass Kleingärtner/innen mit Hilfe von Terra Preta Monsterobst ziehen können ist eher eine nette Spielerei. Relevanter wird der Einsatz schon beim Urban Farming, wo man auf kleiner Fläche viel Ertrag gewinnen will, der tatsächlich eine Rolle in der Ernährung der Stadtbewohner/innen spielen soll. Zentral kann sie jedoch sein, wenn sie wirklich konsequent und systematisch eingesetzt wird, um die ausgelaugten Böden weltweit wieder zu regenerieren. Der Hamburger Professor Ralf Otterpohl ist überzeugt, dass die Erde so sogar bis zu 30 Milliarden Menschen ernähren könne.
Der Abfallwirtschaftler arbeitet derzeit mit seinen Kolleg/innen an einem Kreislaufsystem, dass dem der Indios gar nicht so unähnlich ist: Mit Komposttoiletten will er zunächst das Abwasserproblem in den Großstädten lösen. Allerdings sollen die Fäkalien nicht einfach entsorgt, sondern eben zur Düngerherstellung verwandt werden. Außerhalb der Städte sollen sie mit Bioabfällen vermengt und nach der entsprechenden Aufarbeitung auf die Äcker ausgebracht werden. Wie man die notwendige Holzkohle produziert, wenn man diese Erde aufwerten will, ist zumindest auf kleiner Ebene auch geklärt: In den hocheffektiven Holzvergaseröfen bzw. -Kesseln wird das Gas, das aus Biomasse kommt, verbrannt – das Holz selbst kann als Holzkohle verwandt werden. Effektiv hat das Team dies schon bei einer 7000-Hektar Reisfarm in Senegal ausprobiert, dessen Böden völlig ausgelaugt waren.
So ein System auch in Deutschland in größerem Rahmen zu implementieren, wird allerdings viel Überzeugungsarbeit und Willen zum Umdenken brauchen. Für diese Überzeugungsarbeit benötigt man aufgeschlossene Geschäftsleute. Diese wollen betriebswirtschaftlich positive Bilanzen – wie z.B. bei dem Experiment der Universität Halle mit der Terra Preta auf einem Gut im Wendland. Hier soll drei Jahre lang nach dem besten Bodenrezept und allgemein den Ergebnissen des Terra-Preta-Einsatzes in der heimischen Landwirtschaft gesucht werden, um sie später großflächig einzusetzen.
Wem gehört Terra Preta?
Die Allianz aus Aktivist/innen, Akademiker/innen und Geschäftsleuten, die sich um die Wundererde bildet, ist an sich sehr vorteilhaft. Sogar für Klimaschützer ist Terra Preta interessant, da sie auch das Treibhausgas CO 2 bindet. Menschen mit unterschiedlichen Stellungen in der Gesellschaft, unterschiedlichen Ansichten und unterschiedlichen Interessen ziehen hier an einem Strang. Allerdings gehört zu diesen unterschiedlichen Interessen auch die Frage der Patentierung. Darf dieses Kulturgut, was die Amazonas-Indianer der Welt geschenkt haben, Profit gezogen werden, darf anderen verboten werden, diese Technik ohne Lizenzname zu verwenden? Für die Meisten heißt die Antwort klar Nein, allerdings wollen Firmen wie Palaterra, die Millionen in die Forschung nach dem besten Rezept gesteckt haben, ihre Investitionen auch zurückbekommen.
Die drängendere Frage im Moment ist jedoch erst einmal: Wie können wir erreichen, dass das schwarze Gold so populär wird, dass es in absehbarer Zeit die aktuelle industrielle Landwirtschaft revolutioniert und Pestizide und Genmais und Co. der Vergangenheit angehören? Wie bricht man den Widerstand der aktuellen Profiteure? Und wie kann auf diese Weise auch gleichzeitig mit den Böden eine dezentrale, lokale Landwirtschaft revitalisiert werden, die effektiv arbeitet und moderne Erkenntnisse mit dem alten Wissen und der Liebe zum Boden und den Pflanzen verbindet?
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