Geplante Obsoleszenz – und was man dagegen tun kann
Wie kam die geplante Obsoleszenz in unsere Produkte?
Geplante Obsoleszenz ist ein Phänomen, das in der kapitalistischen Produktion Anfang des 20. Jahrhunderts entstand: Durch die Fließbandproduktion und die schnelleren, effektiveren Möglichkeiten, Produkte auch weiter zu transportieren und so neue Märkte zu erschließen konnte man sehr viel höhere Stückzahlen eines Produkts günstiger herstellen und hatte eine größere potentielle Kundschaft. Da befiel die erfolgreicheren Hersteller die Sorgen, dass sie so viel Waren verkaufen konnten, dass der Markt gesättigt wird und der Absatz langfristig zurückgeht. So schien es ihnen nicht mehr sinnvoll, dass ihre Produkte auch möglichst lange hielten und die Kunden nicht nachkauften. So entwickelte man immer effektivere eingeplante Verschleißstellen, die das Produkt nach einem bestimmten Zeitraum unbrauchbar machten – die Lebensdauer von Glühfäden in Birnen wurde reduziert, reißfeste Nylonstrümpfe wurden soweit wieder anfällig gemacht, dass sich Laufmaschen bildeten und auch in modernen Elektrogeräten befinden sich Teile, die gezielt so gebaut werden, dass das Produkt nach einem bestimmten Zeitraum den Geist aufgibt und auch nur schwer repariert werden kann.
Die Autoindustrie kam auf eine andere Masche, die sich ebenfalls heute bei Elektronikgeräten wiederfindet: Man entwickelte jährlich neue, schicke Designs, hinter denen oft minimale technische Veränderungen standen. Es ging allein um den Absatz, die potentiellen Kund/innen sollten dazu bewegt werden, sich ein neues Produkt zu kaufen, obwohl das alte für ihre Zwecke noch völlig ausreichen würde. Teilweise wurden sogar technisch bessere Produkte so vom Markt gekickt. Bis in die 50er Jahre hinein wehrten sich Ingenieur/innen dagegen, ihre Konstruktionen mit geplanten Verschleißteilen auszustatten, anstatt sie so solide wie möglich zu gestalten. Dann hatte der neue kapitalistische Geist auch in den Köpfen der Konstrukteur/innen Einzug gehalten.
Trotz Protesten der Verbraucher ist die geplante Obsoleszenz bis heute Verkaufsmodell
Allerdings begannen die Verbraucher/innen nun zu rebellieren, die sich von den Firmen vergackeiert fühlten. Es entwickelten sich Verbraucherschutzorganisationen, die den Herstellern bestimmte gesetzliche Garantien über die Lebensdauer abrangen – allerdings blieb das Konzept der geplanten Obsoleszenz die Regel, und wird teilweise verstärkt angewandt. Gerade bei Elektrogeräten ist es heute augenscheinlich, dass konstant noch völlig ausreichende und generell intakte Geräte auf dem Müll landen, weil es neue Modelle gibt, eine eingeschweißte Batterie nicht ausgewechselt werden kann oder weil ein kleiner Zählerchip im Drucker diesen lahmlegt, wenn er eine bestimmte Anzahl Seiten gedruckt hat. Der Müll wird häufig illegal nach Afrika und Asien verschifft, wo ein geringer davon Teil repariert wird. Aus dem Rest werden unter zumeist extrem gesundheitsschädlichen Bedingungen und oft durch Kinderarbeit die leicht recyclebaren Teile, vor allem Metalle, herausgelöst und der Rest verseucht die Umwelt in den Regionen. So landen 70% des weltweiten Elektroschrotts in China, aber auch in westafrikanischen Ländern wie Ghana (eine Karte hier).
Breite Gegenbewegung fordert eine nachhaltige Produktionsethik
Inzwischen gibt es auf breiter Front eine Gegenbewegung: Wissenschaftler/innen, Journalist/innen, Umweltschützer/innen, Designer/innen und andere Recyclingaktivist/innen im Westen und regional an den den Schrottabladeplätzen ziehen gegen die eingbauten Verfallselemente und die somit stetig wachsenden Müllberge ins Feld. Sie leisten Lobbyarbeit in Politik und Wirtschaft, gestalten bewußt nachhaltige Produkte und umweltfreundliche Produktionskreisläufe, betätigen sich als Bastler/innen, die sich zusammenschließen, Tipps verbreiten, richten Reparatur-Anlaufstellen oder auch Verkaufsstellen für reparierte Geräte ein, oder informieren über besonders anfällige Geräte, um vom Kauf abzuraten.
Gerade die Computertechnik, die eine neue, bisher unbekannte Welle an unnötigem Elektroschrott erzeugt hat, bietet mit dem Internet auch eine Plattform, auf der sich diese Gegenbewegung austauschen und koordinieren kann. Besonders in den USA und in Russland gibt es seit Jahren eine Undergroundszene für solche Reparaturen. Wie die taz berichtete, hat sich auch in Österreich eine gut vernetzte Recyclingszene entwickelt, die beispielhaft ist. Diese ist laut taz vor allem auf die Aktivität von Sepp Eisenriegler, Gründer des Wiener Reparatur- und Service-Zentrums (RUSZ) zurückzuführen. Inzwischen gibt es mit dem RepaNet eine koordinierende landesweite Anlaufstelle für solche Angelegenheiten.
Reparieren eröffnet neue Perpektiven
Die österreichischen Aktivist/innen beschränken sich nicht nur auf nationale Grenzen, sondern bieten auch jenseits dieser Hilfestellungen an. Überhaupt hat der neue Recyclingboom einen starken sozialen Aspekt: Generell entwickelt jeder Mensch, der sich mit dem Thema befasst, einen neuen, bewussteren Zugang zu Konsum, Umwelt, gegenseitiger Verantwortung und solidarischem Verhalten durch gegenseitige Unterstützung. Aber besonders Langzeitarbeitslose oder auch Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen, die das Gefühl haben, in unserer Gesellschaft nicht wertgeschätzt zu sein und keine positive Rolle spielen zu können, haben hier eine Möglichkeit, ihr Können zu zeigen und ein adäquates Selbstwertgefühl zu entwickeln.
Zudem informieren sie in Veranstaltungen zum Thema und versuchen Einfluss auf die Politik auszuüben, sowohl in Österreich als auch auf EU-Ebene. Hier sollen grundsätzlich neue (alte), nachhaltige Vorstellungen zur Lebensdauer von Geräten entwickelt werden und gegen die eingebaute Obsoleszenz angekämpft. Allerdings stellt man damit auch das aktuelle kapitalistische Wirtschaftssystem in Frage, das überhaupt erst zu dieser diese Idee, die ja an sich jenseits des reinen Profitgegankens völlig irrsinnig ist, führte.
Besonders in den USA gibt es schon länger aktive Lobbygruppen, die Firmen und Politik zu solchen neuen nachhaltigen Standards in der Firmenethik und Gesetzgebung zwingen wollen bzw. das erfolgreich getan haben, wie z..B. E-Stewards, die Electronics Take Back Coalition, die Step Initiative und die internationale Non-Profit-Lobbygruppe Basel Action Network (BAN) bei Elektroschrott. Auch die weltweite Zero-Waste-Bewegung wächst, die ein allgemeines Denken in Kreisläufen, in denen nichts „Abfall“ ist, sondern wie in der Natur immer wieder auch Grundlage für Neues (dazu demnächst mehr auf Plan A(lternative)). Selbst die politisch aktuell eher zweifelhafte britische Regierung hat sich einen Zero-Waste-Gedanken zumindest auf die Fahnen geschrieben, der eine Verantwortung der Produzent/innen der Produkte beinhaltet. Allerdings geht es hier noch um freiwillige Übernahme von Verantwortung – eine der wichtigsten Forderung der Aktivistinnen ist eine gesetzliche Rücknahmepflicht der Hersteller zur Entsorgung.
Reparaturcafés als konkrete Anlaufstelle im Real Life
Jenseits der politischen und großen ökonomischen Ebene haben sich aus der weltweiten Reparatur-Szene Repaircafés entwicklet, in denen sich Hilfesuchende und Bastler/innen begegnen und erstere lernen, selber Reparaturen auszuführen. Sie sind auch Austauschort für Tipps zur lokalen Szene und das Internet, wenn man konkrete Dinge sucht. Repaircafés sind inzwischen an vielen Orten in Nordamerika und Europa zu finden (Liste hier). Es steht Basteler/innen auch nichts im Weg, so ein Repair-Café im eigenen Ort oder Viertel zu organisieren – entweder nach eigenem Gusto als „Heimwerkerkercafé“ oder ähnlich, oder offiziell im Repair-Café-Netzwerk, wo es ein paar Regeln, aber auch Unterstützung gibt.
Vertieft man sich ein wenig in das Thema, wird das unweigerlich auch Auswirkungen auf das eigene Konsumverhalten haben: Man wird feststellen, dass man gar nicht mehr immer das Neueste, Angesagteste braucht, Vieles repariert werden kann und noch ein paar Jahre hält und dass man sich vom gesparten Geld lieber ein wirklich haltbares Produkt kauft und keins, was schon als geplanter Schrott geliefert wird.
I fix it – Reparaturanleitungen und Tipps (English)
Instructables – Reparaturanleitungen und Bautipps (English)