Weihnachten – denkt an eure Nächsten
Die meisten von uns sind gerade damit beschäftigt, die letzten Vorbereitungen für das anstehende Weihnachtsfest zu treffen. Sie sind bei ihrer Familie oder gehen später zu Freunden. Viele Leute wissen nicht, zu welcher Familie sie wann fahren, welche Einladung sie annehmen sollen – und verzweifeln an der Planung, und ein Streit ist fast vorprogrammiert.
Andere dagegen müssen überlegen, wer überhaupt mit ihnen Weihnachten feiern soll. Das betrifft schon Menschen ohne Familie, die Mitten im Leben stehen, in deren engeren Freundeskreis sich aber nur Paare befinden oder deren engere Freunde heim zur Familie fahren. Besonders trifft das neu Dazugezogene aus ener anderen Stadt oder gar Menschen aus einem anderen Land, die nicht so einfach mal nach Hause (wo immer das ist) fahren können. Viel Schlimmer trifft es alte Menschen und Arme. Sie haben kein Geld, eine eigene Feier auszurichten, kein Geld für Geschenke (wobei es da Alternativen gibt), oder die Familie und Freunde sind weggestorben. Die Menschen, die Weihnachten allein sind, müssen keine psychischen Störungen haben oder obdachlos sein – es betrifft unsere Nachbar/innen, Kolleg/innen, Bekannte. Manche von ihnen werden sagen: “Ach, ich mach mit nichts aus Weihnachten.” Aber wenn dann alle anderen Heiligabend im Kreis ihrer mehr oder weniger Lieben verbringen wird den Einsamen doch komisch ums Herz.
Raus aus dem Schneckenhaus
Oft ist es da einfach die Kommunikation, die das Problem ist: Wer nicht weiß, wmit wem er Weihnachten verbringen soll, fürchtet, als soziale/r Außenseiter/in zu gelten und fragt andere nicht, ob sie mit ihm oder ihr feiern wollen. Diejenigen, die so eine Situation nicht kennen, weil sie immer Familie oder einen aktiven Freundeskreis hatten, kommen gar nicht auf die Idee, dass jemand nicht weiß wohin. Das ist schon bei Leuten aus dem eigenen Umfeld so, die man im Zweifel sogar gern hat. Menschen, die man gar nicht kennt einzuladen, ist dann noch risikoreich: Mag man die Person überhaupt, hat man sich etwas zu sagen? Oder stört der fremde Mensch und geht einem auf die Nerven? Oder hat man sich gar eine/n schwer Gestörte/n ins eigene Wohnzimmer geholt?
Da gilt es für beide Seiten über den eigenen Schatten zu springen. Wer im Familien- oder Freundeskreis feiert, sollte überlegen, ob es möglich ist, auch andere ohne Krampf dazu zu holen: Sind Menschen aus meinem Bekanntenkreis vielleicht allein? Oder kenne ich alte Menschen, die allein wohnen un keine Familie haben? Ist bei der Feier mit Freunden vielleicht noch Platz am Tisch? Und auch diejenigen, die niemanden haben, müssen Ausschau halten: Wer in meinem Freundes- und Bekanntenkreis hat auch keine Familie? Können wir vielleicht ein schönes Abendessen machen, etwas unternehmen? Oder kann ich vielleicht auch bei der Familienfeier von Freunden dabei sein, ohne dass es ein Problem ist?
Neue Dynamik – neue Freund/innen?
Auch alte Menschen können aus ihrem Schneckenhaus kommen – und sei es über eine Zeitungsanzeige, wie es ein britischer Rentner tat, der es nach zehn Jahren satt hatte, Weihnachten allein zu sein. Allerdings bekam er erst en Masse Einladungen, als seine Geschichte in den Social Media und von großen Medien aufgegriffen wurde. Aber die vielen Angebote zeigen, dass die Bereitschaft an sich da ist. Und ein neues Gesicht in der Weihnachtsrunde verändert auf jeden Fall die Dynamik des Abends. Gerade alte Menschen haben etwas zu erzählen. Im Zweifel verhindert die Anwesenheit einer außenstehenden Person sogar den leider weit verbreiteten obligatorischen Familienkrach zu den Festtagen. Man sollte sich allerdings auch hüten, die Familienstreitigkeiten auf den Gast zu projizieren.
Wer selber an den Feiertagen nichts vor hat, kann sich auch außerhalb der eigenen vier Wände um Andere kümmern. So sind bei Obdachlosenhilfen , in Krankenhäusern und Heimen, Asylauffanglagern und in sozialen Einrichtungen gerade zu den Feiertagen freiwillige Helfer/innen immer willkommen. Das könnte sogar der Anfang einer länger währenden “Beziehung” sein, die keineswegs nur einseitig ist. Nächstenliebe ist kein christliches Privileg – sie ist eine menschliche Eigenschaft, die allen Seiten gut tut. Und wenn man nur den Anlass nutzt und Freund/innen anruft, mit denen man lange nicht gesprochen hat.