Was ist Mode-Upcyling, Slow Fashion und Ethical Fashion?
Aktuell stellen sich im Rahmen der (Eco-)Fashion Week in Berlin Mode-Upcyler wie der Berliner Upcycling Fashion Store und „ethische“ Hersteller wie der französisch-brasilianische Sportschuhproduzent Veja auf der Berliner Fashion Week vor. Plan A(lternative) schaut, was hinter diesem Trend steckt.
Nach dem Krieg legte meine Großmutter sehr viel Wert darauf, dass ihre Familie trotz der Notzeit gut angezogen war. So sammelte sie jeden Stofffetzen, aus ausgedienter Kleidung wurden Reißverschlüsse herausgetrennt und die Knöpfe und Haken wurden aufgehoben. Alle noch irgendwie brauchbaren Teile wurden wiederverwertet, aus alten wurden neue Kleider, andere wurden so ausgebessert, dass sie trotzdem nach etwas aussahen. Alte Wollsachen wurden aufgezogen und das Garn wiederverwertet.
Diese notgedrungene Kreativität, die Millionen von Frauen praktizierten, verlor sich mehr und mehr, als der Wohlstand einzog und man sich schicke Klamotten von der Stange kaufen konnte. Die aktuelle Mode gab es im Kaufhaus. Ihren Gipfel erreicht dieser Modekonsum in Billigketten von kik bis Primark, die ihre Kleidung – wie teurere Modeketten auch -, unter zumeist katastrophalen Arbeitsbedingungen in Asien fertigen lassen, unter Zusatz von so bedenklichen Chemikalien, dass die Arbeiter/innen im Hamburger Hafen, die die Container öffnen, Atemschutzmasken tragen. Das stört die Konsument/innen, die offenbar nur die kleinen Preise sehen, allerdings wenig. Das schlägt sich in den Umsatzzahlen der Firmen nieder: Sie sind klar auf Erfolgskurs.
In den letzten Jahren gibt es aber im Rahmen einer weiteren Bewegung eine Gegenströmung: Großmutters „Aufbessern“ ist wieder angesagt, unter dem neuen Namen Upcyling. Dieser Begriff steht allgemein für ein Aufwerten von Materialien und Produkten, die in ihrem ersten Leben ausgedient haben und ansonsten im Müll landen würden.
Für den neuen Trend gibt es verschiedene Ursachen, die in einem größeren gesellschaftlichen Kontext stehen. Im Mittelpunkt steht ein neues soziales und Umweltbewusstsein und Konsumkritik. Während es in den 1950ern und 1960ern eine Erlösung war, dass man Dinge, die man brauchte, und eben auch schicke Mode, wieder unkompliziert im Laden kaufen konnte, stellt man heute eben diesen allgegenwärtigen Konsum in Frage. Muss man wirklich ständig neue Klamotten kaufen, und die alten, die noch völlig in Ordnung sind, einfach wegwerfen, nur weil eine neue Farbe der Saison ausgerufen wurde? Wieso sind die Klamotten so billig? Wo kommen sie her und wie werden sie produziert, wo werden sie wie entsorgt? Medienberichte über wachsende Müllberge, Chemie in Klamotten und erschreckende Bedingungen in der Produktion lassen Konsumenten nachdenken, ebenso wie die Sinnfrage, ob endloser Konsum wirklich glücklich macht.
Qualität statt Quantität, Individualität statt Konfektion
Viele der neuen Protagnist/innen stellen ihr soziales Engagement und ihr Umweltbewußtsein in den Mittelpunkt und suchen Alternativen in einer Welt, die sich gerade selbst zerstört. Sie stellen sich gegen Ressourcenverschwendung, Ausbeutung und Umweltverschmutzung. So entsteht auch ein Wunsch nach mehr Qualität, handwerklich solide vor Ort und kontrolliert hergestellt, statt Bergen an Billigkrempel, der unter zweifelhaften Bedingungen produziert wurde, mit Schadstoffen belastet ist und zudem noch um die halbe Welt geschifft wurde. Außerdem gibt es einen neuen Wunsch nach Individualität jenseits der Massenware.
Hier greift die eine oder der andere selbst zu Nadel und Faden oder zum Strickzeug. Es entsteht eine neue Lust am kreativen DIY. Es entwickelt sich aber aber auch ein wachsender Nischenmarkt, in dem Menschen neben- oder hauptberuflich Upcycling anbieten. Hier können Andere für das bezahlen, wofür ihnen selber die Zeit, das Interesse oder die Fähigkeiten fehlen. War es bisher die Änderungsschneiderei oder ganz früher die Schneiderei um die Ecke, wird heute Upcycling für die eigenen Klamotten, aber auch aufgepeppte Second-Hand-Kleidung professionell angeboten.
Es werden auch neue handgemachte, individuell oder in kleinen Serien hergestellte Produkte angeboten, die oft gebrauchte und neue qualitativ hochwertige Materialien vermischt. Auch Stoffreste aus Bekleidungsindustrie, die sonst weggeworfen würden, werden aufgekauft und verwertet. Die neuen Marken, die so entstehen, achten auch auf den Energie- und Wasserverbrauch sowie die CO2-Bilanz im Produktionsprozess oder beim Wareneinkauf. Der Strom soll zudem aus erneuerbaren Energiequellen stammen.
Weniger ist mehr
Natürlich sind gerade die individuell oder in geringer Stückzahl gefertigten die „upgecycleten“ Produkte zumeist teurer als die gleichen Produkte aus den Kaufhäusern – schließlich handelt es sich um handwerkliche Anfertigungen. Zudem sind sie oft Made in Germany. Auch wenn die selbständigen Hersteller/innen hierzulande oft in prekären finanziellen Verhältnissen leben, solange sie in Heimarbeit prodzieren, brauchen sie schlichtweg mehr zum Überleben als die asiatischen Fabrikarbeiter/innen der großen Ketten, haben aber auch einen anderen Lebensstandard.
Hier kommen zwei weitere Aspekte ins Spiel. Einmal die Slow Fashion, die die ständig wechselnden Modetrends zugunsten einer neuen Qualitäts-, und Produktionsethik verwirft. Sie setzt darauf, dass auch Durchschnittskonsument/innen sich nachhaltige, individuell und fair hergestellte Mode leisten können, wenn sie eben nicht zehn Billigteile kaufen, sondern ein gutes, dass dann entsprechend besser aussieht, keine gesundheitsschädlichen Stoffe enthält und vor allem länger als eine Saison hält.
Im Umfeld des Mode-Upcycling und der neuen lokalen handwerklichen Herstellung haben sich auch neue Vorstellungen von Ethik entwickelt – sowohl in Bezug auf Bewahrung der Umwelt als auch die Arbeitsbedingungen derjenigen, die die Produkte fertigen. So gibt es immer mehr Hersteller, bei denen nicht allein die Gewinnmargen zählen, sondern die gezielt auf eine umweltfreundliche Material-, Herstellungs- und Transportkette achtet, ebenso auf faire Bezahlung und Behandlung der Angestellten und Arbeiter/innen. Sie werben mit dieser Ethik und setzen so auch die großen Hersteller unter Druck, solange sie ihre Produkte in einem vergleichbaren Preissegment anbieten können.
Das ist nicht immer leicht. Zu den Abstrichen, die gemacht werden müssen, gehört, dass die Produkte in den ärmeren Ländern und nicht lokal hergestellt werden. So sucht man nach möglichst CO2-armem Transportwegen, z.B. mit Frachtschiffen und Bahn statt mit Flugzeug und LKW. Nicht immer, aber manchmal müssen auch Einbußen in Qualität und Materialeigenschaften hingenommen werden, weil man auf bestimmte Chemikalien verzichtet, z.B. bei Outdoorkleidung.
Aber eine neue Generation an Designern ist angetreten, faire und nachhaltige Mode herzustellen und so die Modeindustrie von innen zu ändern. So entstehen nicht nur diverse neue Ideen und Perspektiven, sondern auch die großen Hersteller geraten unter Druck, sich an neuen Standards zu orientieren. So kann man hoffen, dass sich neue ökologische Materialien finden, wo die aktuellen nicht gut genug sind, alte und neue Methoden zusammenfinden, sich neue Recycling- und Vertriebs-Infrasrukturen herausbilden, und sich menschenwürdige Standards für die Produktionsarbeiter/innen durchsetzen und schädliche Chemikalien mehr und mehr verschwinden. Und auch Großmutters DIY kann im eigenen Haushalt mit Phantasie eingesetzt werden – man muss nur ein wenig die Perspektive wechseln. Nicht einfach weg in den Altkleidersack und schnell ins Kaufhaus um Neues zu shoppen, sondern: Was könnte ich aus den alten Klamotten noch Schönes machen?
Eco Fashion Week 14.-19. Januar 2014
Trash to Trend – Global platform for upcycling designers
Upcycling Fashion Store Berlin
Booklet zu Eco Fashion in Berlin (2010)