Vollständige Energiewende auch in Deutschland bis 2050 möglich
2050 scheint die magische Zahl für die Befürworter/innen einer realistischen, aber so zügig wie möglich umgesetzten Energiewende in den Industriestaaten zu werden. Dänemark ist mit konkreten Gesetzen und systematischen staatlichen Maßnahmen hier Vorreiter. Auch in den USA gibt es eine Initiative aus Wissenschaftler/innen, Wirtschaftsleuten und Künstler/innen, die konkrete Pläne für eine Energiewende in den USA vorlegen, die bis 2050 umgesetzt sein könnte. Allerdings nur, wenn Politik und Wirtschaft mitspielen, und das sieht im Moment weniger danach aus.
Auch die Bundesregierung tut alles, um eine zügige Energiewende, wie sie ökonomisch und technisch möglich wäre, zu blockieren. So bezeichnet die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel eine neue Studie des Umweltbundesamtes zur Treibhausgasemisssion, die dieser Tage veröffentlicht werden soll, als “Utopie”. Die Studie beschreibt, dass die vollständige Energiewende bis 2050 auch in Deutschland möglich ist. Die gesteckten Ziele bis 2020 seien aber schon in Gefahr. Die Studie sieht sich als Zukunftsvision mit konkreten und realistischen Schritten, wie man dorthin gelangen kann – wenn es denn gewollt ist. Laut Süddeutscher Zeitung unterscheidet sich das Leben, wie es im Jahr 2050 beschrieben wird, gar nicht so sehr von dem heute. Nur ist es eben annähernd klimaneutral – die Treibhausgas-Emissionen sollen 2050 nur noch fünf Prozent von denenn von 1990 betragen. Für Deutschland wäre das dann ein jährlicher Pro-Kopf-Ausstoß von lediglich rund einer Tonne CO 2.
Strom aus Wind und Sonne als zentrale Energiequelle
Um keine ideologischen Diskussionen aufzuwerfen, verzichteten die Autor/innen auf die Beschreibung eines “richtigen” Lebensstils. Sie nannten nur ein heikles Thema: In ihrem Konzept essen die Menschen 2050 weniger Fleisch, weil der Tierbestand vor allem an Wiederkäuern reduziert werden soll. Aus Industrie und Landwirtschaft rechnet man mit nennenswerten Resten an Emissionen, die unvermeidlich seien. So wolle man die Treibhausgasausstoß bei Strom, Wärme und Verkehr auf Null senken. Hier geht es vor allem um Strom, der als zentraler Energielieferant dienen soll: Er soll auch Wärmepumpen antreibt, die die Häuser beheizen, und ebenso Autos. Die meisten Autos werden jedoch Hybridfahrzeuge sein, die auch mit Brennstoffzellen ausgestattet sind und so mit Wasserstoff betankt werden können, der wiederum über Strom aus Überkapazitäten hergestellt wird. Der Hauptteil der Stromerzeugung soll aus Solar- und Windkraft kommen.
Zentraler Baustein ist die Erzeugung von Wasserstoff durch Wasserelektrolyse mit Hilfe von erneuerbar erzeugtem Strom. Aus Wasserstoff sollen dann auch Methan und weitere Kohlenwasserstoffe erzeugt werden (Power to Gas, PtG and Power to Liquid, PtL, die jedoch noch vor der Reife für den breiten Markt stehen und mit erheblichen Umwandlungsverlusten verbunden sind). Das Methan soll vor allem zur Wärmeerzeugung verwendet werden, die Kohlenwasserstoffe sollen das Erdöl in der chemischen Industrie ersetzen.
Da trotz einer Einsparung von Energie um die Hälfte zwischen den Werten von 2010 bis 2050 über Effizienzmaßnahmen der Stromverbrauch enorm steigen würde, weil er an viel mehr Stellen verwendet wird, müssten nach der Berechnung des Umweltbundesamts 62 Prozent der benötigten 3000 Terawattstunden importiert werden. Das würde vor allem die Herstellung von Import von Methan und Kohlenwasserstoffen betreffen, welche am Ort der Stromproduktion gleich erzeugt würden. Überhaupt setzt das Konzept ausdrücklich auf eine gemeinsame europäische Politik und eine enge Kooperation innerhalb der EU.
Wenig Phantasie, viel Pragmatismus
Dabei soll im Prinzip so weitergehen wie bisher, mit industriellem Wachstum von durchschnittlich 0,7 Prozent bis 2050 und weiterem Ausbau des Verkehrs, sowie ähnlichen Konsummustern der Menschen. Die langfristigen Ziele erforderten aber eine erhebliche Umstrukturierung in allen Wirtschaftsbereichen – und ein gesellschaftliches Umdenken, sagte Uba-Präsident Thomas Holzmann gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Zudem sehen die Experten das auch im Koalitionsvertrag festgesetzte Ziel der Reduzierung der Treibhausgase durch die Energiewende, die viele zu langsam verlaufe, gefährdet. 2020 soll einer Reduktion der Emission von 40 Prozent im Vergleich zu 1990 erreicht werden – verbindlich. Dazu müssten diese jedoch ab heute jährlich doppelt so stark reduziert werden wie im Durchschnitt der Jahre von 2008 bis 2012. Ab 2020 müssten sie dann jährlich um 7,9 Prozent reduziert werden – sechsmal so viel wie im Schnitt in den vergangenen Jahren.
Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sprach Hans-Joachim Ziesing, einer der vier von der Bundesregierung eingesetzten Experten, aktuell von einer “Stillstandsphase”. Dieser könne man vor allem über Effizienz – d.h. Energieeinsparungen – in allen Bereichen begegnen. Wenn hier nicht schnell gehandelt würde und auch mehr im Bereich Gebäudetechnik und Verkehr getan würde, wären schon die Ziele für 2020 illusorisch.
Nach dem Eindruck der Kurzfassung scheint die Studie relativ phantasielos zu sein und es geht im Prinzip darum, so weiter zu machen wie bisher, nur Ersatzstoffe zu finden, die bisherige fossile Rohstoffe ersetzen, möglichst energieeffizient zu sein und nur da, wo es nicht anders machbar ist, neue Technologien einzusetzen. Viele wichtige Aspekte, technische, aber vor allem ökonomische wie Wirtschaftlichkeit und Emissionshandel, werden nicht betrachtet, ebensowenig die einer politischen Umsetzung und einer Bürgerbeteiligung und deren Motivation, am Ziel mitzuwirken, sowie notwendige völlige Paradigmenwechsel z. B. im Verkehr oder in der Landwirtschaft sind (noch) nicht mitgedacht. Der Leitsatz scheint eher: “Wir müssen reduzieren, weil es gesetzlich festgelegt ist – wie kriegen wir das irgendwie hin” statt “Wir wollen reduzieren, und eine bessere, nachhahltige Zukunft und eine bessere Gesellschaft bauen.” Dabei bräuchten wir eine gesamtgesellschaftliche Vision.
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