Goldeimer: Mobile Komposttoiletten für Festivals
Das Startup Goldeimer stellt Komposttoiletten für Festivals zur Verfügung, als nachhaltige Alternative zu den allgegenwärtigen Chemie-Dixie-Klos.
Zu den Kulturtechniken, die wir im 20. Jahrhundert verlernt haben, gehört auch die Nutzung von menschlichen Fäkalien für die Landwirtschaft. WCs und Kanalisation schienen angesichts des Bevölkerungswachstums und den seit dem Mittelalter teils bestialisch stinkenden Städten ein Riesenfortschritt der Hygiene. Dabei wurde übersehen, dass die Rückführung der Fäkalien in den Naturkreislauf ein wichtiger Aspekt war, um die Bodenqualität in der Landwirtschaft zu erhalten, welcher auch nicht durch phosphorhaltigen Kunstdünger, der zudem noch andere ungeahnte Probleme aufwarf.
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden unter Plumpstoiletten große Gefäße geschoben, die man umgangssprachlich “Goldeimer” nannte, da sie einen kostenlosen Rohstoff auffingen. Die mit Fäkalien gefüllten Behälter wurden nämlich nicht einfach weggekippt, sondern in Fabriken gebracht. Durch Aufarbeitung mit Schwefelsäure wurde ein Düngemittel hergestellt. Diese Art der Düngemittelproduktion wurde dann durch den günstiger werdenden Kunstdünger verdrängt, ebenso durch den systematischen Ausbau der Schwemmkanalisation, die die Plumpstoiletten verdrängte.
In den letzten Jahren wurde das Thema Komposttoiletten wieder aktuell – vorrangig allerdings bei Hilfsprojekten für die Länder des globalen Südens, in Gegenden, wo es keine Kanalisation gab. Bei einem solchen Projekt kam auch Malte Schremmer mit der Komposttoilette zum ersten Mal in Kontakt. Für Viva con Agua war er im Rahmen seines Studiums 2012 in Burkina Faso und hat dort Toiletten gebaut. Als er dann für seine Abschlussarbeit etwas dazu schreiben wollte, riet ihm sein Betreuer, sich doch mit einem deutschen Kontext, den er kennt zu befassen. So machte er sich zum ersten Mal über Komposttoiletten für Musikfestivals Gedanken. Als dann noch ein Wettbewerb dazu kam, bei dem man genug Geld für einen Prototyp gewinnen konnte, war das Projekt Goldeimer geboren, dass er zusammen mit vier weiteren Freunden betreibt.
Die Humustoiletten böten viele Vorteile gegenüber den herkömmlichen Chemie-Klos, so die Macher: Sie stinken nicht, benötigen keine chemischen Zusätze und kein Wasser. Aus den gesammelten Fäkalien wird anschließenden ein nährstoffreiches Humus-Substrat hergestellt, das zurück in den Naturkreislauf geführt werden kann, anstatt in Kläranlagen entsorgt werden zu müssen.
Bedacht werden müssen hier verschiedene Aspekte: Wie konstruiert man so eine Toilette für den entsprechenden Zweck? Wie entsorgt man die Fäkalien und wie nutzt man sie weiter? Dabei müssen neben der Stabilität, Geruchsvermeidung und Hygiene auch Kompostierung auch Benutzer/innenfreundlichkeit, Transport und Logistik bedacht werden. Nachdem jetzt schon mehrere Prototypen existieren und erprobt sind, will sich das Goldeimer Team an die effektive Lösung der Nutzung der Fäkalien machen und plant eine Terra Preta Herstellung.
Durch die Komposttoiletten auf den Festivals werden nicht nur die Fäkalien nachhaltig entsorgt und in den Naturkreislauf zurückgeführt, sondern es wird bei den Besucher/innen auch ein Bewusstsein für das Thema entwickelt, dass unserer bisherigen Erziehung entgegenwirkt: Der Toilettengang ist ekelig und schnell weg mit dem Zeug, aus den Augen, aus dem Sinn. Die Goldeimer-Macher sehen ihr Konzept Social Business, mit dem sie langfristig positiv auf die Gesellschaft einwirken wollen. Wenn einmal alle 12 Millionen Festivalbesucher im Jahr erreicht seien und Komposttoiletten gar auf allen öffentlichen Großveranstaltungen Standard würden, habe man schon viel erreicht, so die Macher. Über so ein Erlebnis in lockerem Rahmen an das Thema herangeführt zu werden sei zudem viel effektiver, als wenn man im Klassenzimmer etwas über Nährstoffkreisläufe lerne.
Um das Toiletten-Thema, was eigentlich ein Tabu ist, ins Gespräch zu bringen, sind nicht nur die Klohäuschen bunt gestaltet, sondern es werden auch Events darum organisiert, so dass den Besuchern bewusst wird, dass sie hier ein ganz besonderes Stilles Örtchen aufsuchen.
Website Goldeimer
Interview mit dem Team Goldeimer