Wie kann Frankreich 2050 mit 100 Prozent erneuerbaren Energien funktionieren – Studie unterdrückt?
Update: Die Studie ist jetzt offenbar veröffentlich. Hier als PDF (Französisch) und eine englische Zusammenfassung hier.
Laut Le Monde unterdrückt die französische Pro-Atom-Regierung eine offizielle Studie, die untersucht, wie auch Frankreich bis 2050 seinen Energiebedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien decken kann. Die Atomlobby des Landes ist enorm stark. Der Rückbau der französischen Atomanlagen würde zudem 600 Milliarden Euro kosten, was der Bewertung der Kreditwürdigkeit des Landes einen schweren Schlag versetzen würde.
Sie sollte der Höhepunkt eines Symposiums namens „Die erneuerbaren Energien im französischen Strommix“ sein, das am 14. und 15. April in Paris von der Französischen Agentur für Umwelt und Energiemanagement (ADEME) abgehalten wurde: Eine groß angekündigte, mit 294.000 € geförderte Studie, die aufzeigen soll, wie Frankreich 2050 seinen Energiebedarf mit 100 Prozent erneuerbaren Energien decken kann. Doch auf dem Symposium war davon keine Rede mehr, das Thema war unter den Tisch gefallen.
Auf Anfrage von Le Monde erklärt die Behörde, dass die Studie noch nicht abgeschlossen sei. Das Thema sei sehr sensibel und so wolle man bestimmte Punkte noch einmal konsolidieren, die Annahmen noch einmal überprüfen und weitere Ansichten von Fachleuten einholen, die Parameter stärker integrierten und die Betrachtung der wirtschaftlichen und technologischen Auswirkungen verfeinern.
Auch wenn das nicht unvernünftig klingt, hegt Le Monde den Verdacht, dass das Zurückhalten des Berichts vor allem politische Gründe hat. In einem Land, das derzeit drei Viertel seines Energiebedarfs über Atomstrom deckt habe die Aussicht auf eine Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien nahezu bilderstürmerischen Charakter. Schon die Reduzierung des Atomstroms auf 50 Prozent bis 2025, wie im neuen Energiewendegesetz festgehalten, dass noch vor dem Sommer in der Nationalversammlung und dem Senat verabschiedet werden soll, rufe heftigen Widerstand der Energiekonzerne und sogar einiger Gewerkschaften im Energiesektor hervor. Die Vorstellung, dass bis 2050 sogar 100 Prozent Erneuerbare möglich sind, würde weiter Öl ins Feuer gießen.
Die Ministerin für Ökologie, Energie, Ségolène Royal, sagte zu Le Monde, dass im geplanten Energiewendegsetz ein Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung auf 40 Prozent im Jahr 2030 vorgesehen sei, und schloss den vollständigen Ausstieg aus der Atomkraft aus. „Wir sind überrascht über den Aufschub der Veröffentlichung dieser Studie, die sich als sehr informativ erweisen wird und neue Erkenntnisse verspricht“, sagten das Climate Action Network und der Verbindungsausschuss der erneuerbaren Energien gegenüber Le Monde. Für sie ist die Aussicht auf eine atomstromfreies Frankreich, welches seinen Energiebedarf aus Wind, Sonne und Wasserkraft deckt „durchaus realistisch.“
Die Studie soll in verbesserter Form nun im „zweiten Halbjahr 2015“ vorgelegt werden, also Verabschiedung des Energiewendegesetzes. Im Dezember findet Welt-Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Paris statt. Wird das Gastland ein Signal setzen und bis dahin darlegen, wie auch Frankreich bis 2050 seinen Energiebedarf mit 100% erneuerbaren Energien decken kann?