Werden sie vom UNHCR betreut, bekommen sie oft zunächst Zelte, aber es wird nach günstigen und besseren Alternativen gesucht. Verschiedene Architekten versuchen Lösungen zu finden, die an die entsprechenden Umstände angepasst sind und die höchstmögliche Lebensqualität bieten. Das neueste System nennt sich RE:BUILD und ist ein mobiles, umweltfreundliches System, was mit vorhandenen bzw. regional leicht beschaffbaren Materialien arbeitet: Gerüstrohren, Metallgittern und Sand bzw. Kieseln oder Erde.
Auf diese Weise wurden bereits zwei Schulen im jordanischen Za’atari Camp errichtet, dem größten Flüchtlingscamp des Nahen und Mittleren Ostens mit geschätzt über 80 000 Bewohnern. Auf vergleichbare Weise können auch Kranken-, Wohn- und Gemeindehäuser errichtet werden.
Entwicklelt wurde es von den Architekten Cameron Sinclair und Pouya Khazaeli in Zusammenarbeit mit dem NGOs Save the Children und Relief International. Mit an Bord auch die Non-Profit-Initiative Pilosio Building Peace, die einem großen Bauunternehmen angegliedert ist. Bei der Finanzierung vor Ort werden wie in Jordanien auch lokale NGOs eingebunden und es wird über Crowdfunding-Kampagnen gesammelt. Denn „billig“ ist relativ: Die Schulen im Za’atari Camp haben je 30 000 Dollar gekostet.
]]>„Dieses Europa agiert nicht in unserem Namen“ sagen die Initiatoren einer Massendemo, die unter dem Motto „Europa. Anders. Machen.“ am 20. Juni in Berlin stattfinden wird. Konkrete Anlässe sind das Massensterben von Flüchtlingen im Mittelmeer und die Verelendung durch die Sparzwänge im Süden Eruropas. Deshalb findet die Veranstaltung am Weltflüchtlingstag statt und nimmt ihren Ausgang am Kreuzberger Oranienplatz, der eng mit der Flüchtlingsbewegung in Berlin verbunden ist. Beginn der weltweiten Griechenland-Solidaritätswoche.
Termin
Samstag, 20. Juni
13 Uhr Oranienplatz Berlin-Kreuzberg
Mehr Infos
Wichtig sind besonders in solchen Zeiten Medien, die eine sachliche, andere Sicht dagegen setzen. Eine solche Quelle ist ThePressProject, dass eine progressive Sicht und hohem journalistischem Anspruch Analysen zu griechischen Themen verbreitet und entsprechende Themen setzt. – auf Griechisch, aber auch auf Englisch, um auch international zu informieren. 2010 als Nachrichtenaggregator gegründet, besteht es seit 2013 in der jetzigen Form. Es will Nachrichten verbreiten, aber vor allem tiefgehendere Analysen anbieten und investigativen Journalismus betreiben. So wird untersucht, wie Brüssel die Nachrichten über Griechenland manipuliert, ebenso werden Themen dargesstellt, die im Ausland kaum wahrgenommen werden, aber zu denen es eine starke innergriechische Debatte gibt, wie die extrem umweltschädigende, mit brutaler Polizeigewalt gegen massiven Widerstand aus dem Volk durchgestzte Goldförderung eines kanadischen Konzerns. Die Artikel werden auch von großen internationalen Online-Magazinen wie Businessinsider.com übernommen.
Solche Quellen sind immer interessant, aber besonders in Situationen, wo wir uns nicht mehr auch nur halbwegs auf einen sachlichen journalistischen Standard in unseren Leitmedien verlassen können, wichtig. Wer noch andere Empfehlungen zu entsprechenden Medien hat: Bitte gern als Kommentar anmerken!
Website ThePressProject auf Griechisch
Website ThePressProject auf Englisch
100 Tage Syriza – Dossier des Neuen Deutschland
Ab ca. 10:00 erkärt Giorgos Chondros die Situation aus Sicht der Syriza (Deutsch)
TTIP ist eines von vielen so genannten „Freihandelsabkommen“, die, vor allem von den USA ausgehend, weltweit zur Zeit in Verhandlung bzw. schon in Kraft sind. Sie werden als Handelsabkommen verkauft, die die Wirtschaft der beteiligten Partnerländer stärken. Jedoch haben zahlreiche unabhängige Organisationen die wenigen bekannten Details der Geheimverträge genauer untersucht und sind zu dem Schluss gekommen, dass diese „Freihandelsabkommen“ zwischen den wirtschaftsstarken Ländern nicht nur dem Globalen Süden massiv schaden, sondern auch in den Ländern selbst die Demokratie unterhöhlen, indem sie die Macht der Konzerne stärken, die so u. a. die Verbesserung und Regulierung von Umwelt-, Sozial- und Sicherheitsstandards verhindern können.
Entsprechend gibt es seit einiger Zeit massive Proteste gegen TTIP und ähnliche „Freihandelsabkommen“ – Unterschriftensammlungen, Demonstrationen, Informationsverastaltungen etc., die von einem breiten Spektrum von Nichtregierungsorganisationen getragen wird, da diese Abkommen in alle Bereiche des Lebens einschneidet – von Umweltschutz bis zu sozialen Standards. 160 Organisationen haben im Februar in Brüssel vereinbart, einen globalen Aktionstag gegen TTIP am 18. April auszurufen.
Roland Süß von Attac Deutschland: „Hinter den Abkommen versteckt sich ein massiver Angriff auf alles, was uns wichtig ist: Soziale Sicherheit, Arbeitsrechte, Umweltschutz, nachhaltige Landwirtschaft und Demokratie. Für die Freihandelslobbyisten sind all das Handelshemmnisse, die zu beseitigen ihr Ziel ist. Während die breite Masse der Menschen verliert, gibt es einige wenige Gewinner: Konzerne auf beiden Seiten des Atlantiks. Ihre Einflussmöglichkeiten würden sich mit TTIP, CETA und TiSA drastisch erhöhen.“
Überblick über die Veranstaltungen bei Attac Deutschland
Website Globaltradeday (mehrsprachig)
Demonstrieren, aber wie? Wir wollen uns gegen Unrecht auflehnen, politische Forderungen und Ziele erreichen, auf Probleme aufmerksam machen, die Welt ein Stück besser und lebenswerter. Als Mittel der Durchsetzung kennen wir die klassischen Methoden wie Streiks und Demonstrationen, organisiert von Gewerkschaften, Parteien oder Nichtregierungsorganisationen. In den vergangenen Jahren entwickelte sich auch der Flashmob zu einer populären Protestform, bei dem man sich via Hashtag in den sozialen Netzwerken verabredet, um an einem bestimmten Ort eine spontane gemeinsame Aktion durchzuführen.
Aber gerade in den USA haben sich seit den 1960er Jahren diverse innovative Aktionsformen entwickelt, vom Sit-In bis zu „Identitätskorrekturen“, durch die das Aktionskünstlerkollektiv The Yes-Men bekannt wurde: Sie schlüpfen in Rollen von Vertretern großer Konzerne oder aus der Politik und verkünden schier Unglaubliches, entweder als ob sie „geläutert“ wären und ihre Fehler einsähen, oder sie überziehen das Verbrecherische ins Absurde.
Taktiken zum kreativen Nachbauen
Solche und andere Taktiken werden in Beautiful Trouble vorgestellt und die erfahrenen Aktivisten wie eben die Yes-Men schreiben, wie man sie am effektivsten einsetzt. Im zweiten Teil des Buches geht es um „Prinzipien“, die hinter all diesen Protestformen stehen – ethische und moralische, aber auch ganz praktische: Wie kommuniziert man sein Anliegen über diese Aktionen am besten? Wie geht man miteinander um? Wie bleibt man stark und hält durch?
Im dritten Teil werden Theorien vorgestellt, die durch solche Aktionen praktisch durchgesetzt werden sollen, wie die Stärkung oder die Rückgewinnung öffentlichen Raums; es geht um Macht und politische Identität. Im letzten Teil werden ein paar erfolgreiche konkrete Aktionen genauer beschrieben.
Im ganzen Buch werden Qerverweise auf andere Teile und auch die Website gesetzt, quasi als analoge „Links“. Der deutschen Übersetzung wurden auch Texte und verweise aus dem deutschsprachigen Kontext beigefügt, so zum Zentrum für politische Schönheit, dass mit provokativen Aktionen auch hierzulande zu sehr kontrovers geführten Diskussionen anregte.
Andrew Boyd (bekannt geworden u.a. mit der Aktion „Billionaires for Bush„) und Dave Oswald Mitchell kämpfen seit mehr als zwanzig Jahren mit ihren ganze eigenen Mitteln für sozialen Wandel; mit „The Other 98%“ haben sie die Occupy-Proteste vorweggenommen. Da sie feststellten, dass gute Organisation alles ist, haben sie jetzt Beautiful Trouble zusammengestellt.
Buchvorstellungen mit Andrew Boyd:
6.4. Leipzig, Neues Schauspiel, 20 Uhr.
7.4. Berlin, bei den Telekommunisten, informelles Treffen
BEAUTIFUL TROUBLE – Handbuch für eine unwiderstehliche Revolution, Herausgegeben von Andrew Boyd und Dave Oswald Mitchell, orange press 2014
15 x 20 cm | 240 Seiten
illustriert | Klappenbroschur
€ 20,- (D) | € 20,60 (A) | SFr 27,50 (CH)
ISBN 978-3-936086-73-7
Immer mehr Menschen erkennen, dass es nicht so weiter gehen kann wie bisher: In der „marktkonformen Demokratie“ wachsen die sozialen Probleme, die Wirtschaft gewinnt die Macht über die Politik, Eliten bereichern sich, die Zerstörung der Umwelt schreitet in einem Maß voran, dass sie die Existenz der Menschheit bedroht. Die Interessen der Mehrheit der Menschen treten immer mehr in den Hintergrund. Es gibt viele Vorschläge, wie eine bessere Zukunft aussehen kann.
Die Linke meint nun: Zukunft beginnt heute. Wir brauchen Wirtschaftsdemokratie und Care Revolution, Commons und öffentlicher Daseinsvorsorge, Umverteilung und Demokratisierung von Parlament und Öffentlichkeit, mit Willkommenskultur und neuen Formen linker Politik. Auf 80 Veranstaltungen an vier Tagen soll die Frage beantwortet werden: Was sind linke Alternativen und Strategien für eine wünschbare Zukunft? Mit Vorträgen, Diskussionen, Strategiewerkstätten, Vernetzungstreffen, Kultur, Stadtspaziergängen und auch bei Partys sollen diese Ideen präsentierte und besprochen werden.
Mit dabei:
Elmar Altvater, Volker Braun, Dietmar Dath, Alex Demirovic, Frank Deppe, Klaus Dörre, Anke Domscheit-Berg, Gregor Gysi, Bini Adamczak, Frigga Haug, Bernadette LaHengst, Katja Kipping, Volker Lösch, Birgit Mahnkopf, Chantal Mouffe, Bernd Riexinger, Hans-Jürgen Urban, Sahra Wagenknecht, Hilary Wainwright, Gabriele Winker, Raul Zelik – und: Leute von Syriza, Ver.di, Blockupy, Erwerbslosenforum, Interventionistische Linke, Podemos, IG Metall, Gewerkschaft der Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger (USA), Occupy und vielen mehr.
Überblick über alle Veranstaltungen
Termin:
23. bis 26. April 2015
Berlin, Franz-Mehring-Platz 1 und Umgebung
Eintritt frei, barrierefrei, Anmeldung, Kinderbetreuung und Bettenbörse unter [email protected]
Anmeldung
Website Linke Woche der Zukunft
Blog Linke Woche der Zukunft
Die meisten der ca. 20 Teilnehmer/innen, die in den kleinen Vereinsraum in der Nähe des Leopoldplatzes gedrängt im Kreis sitzen, sind zwischen Mitte 20 und Mitte 30, ein paar ältere Gesichter sind auch dabei. Die meisten sehen ein bisschen alternativ aus, Hannes, der spricht, hat Dreadlocks, zwei Mütter kümmern sich um ihre Babys. Im Raum stehen Flipcharts mit den Tagesordnungspunkten, zur Vorstellung sollen die Teilnehmer/innen ein Blatt ausfüllen, wo sie auf spielerische Weise nach ihren Vorstellungen, Wünschen und ihren Projekten befragt werden. Viele sind aus dem Wedding, es gibt Aktive und Neugierige aus Friedrichshain und Pankow – die weiteste Anreise hatten die „Eberswalder“. Auch wenn an einem der Flipchartbätter über Diskriminierung aufgeklärt wird und die Einbeziehung verschiedener Bevölkerungsgruppen, sind die Teilnehmer alles weiße Mittelklässler. Alles wirkt auf angenehme, unaufdringliche Art sehr organisiert und klar. Man versteht sich auch untereinander, kommt aus einem Milieu.
Spaziergang durch ein altes Arbeiterviertel
Nach der Vorstellungsrunde geht es raus in die Vorfrühlingssonne. Hier gibt es noch einen richtigen Kiez, mit Häusern aus der Zeit um 1900, das klassische Arbeiterviertel. Offensichtlich ist man hier bis heute nicht besonders wohlhabend. Es gibt viele aufgegebene Ladenlokale, selbst in der angrenzenden Müllerstraße, der Hauptverkehrsader, in den Seitenstraßen Arme-Leute-Läden, ausländische Kulturvereine aus aller Herren Länder mit matten Scheiben, türkische und arabische Eckläden, verfallene oder nur dürftig in Stand gehaltene Fabriken und Häuser. Aber auch um den Leopoldplatz macht die Sanierung nicht halt, was schon an den steigenden Mieten und einigen schick gemachten Häusern zu sehen ist. Noch ist hier nicht der Hochglanz eingezogen, die Alternativszene gibt sich mit türkischen und arabischen Arbeitern die Hand.
Erste Station ist der Himmelgarten, eines von diversen Urban-Gardening-Projekten in Berlin. Eigentlich sollte es aufs Dach eines Kaufhauses. Da es an den Brandschutzbestimmungen hapert, sind die Beete in Holzkisten vorerst auf einer Brache untergebracht. Der Jahreszeit entsprechend sieht es recht kahl aus, aber im Sommer sei hier ein kleiner Urwald, wird uns berichtet. Zwei Drittel würde als Gemeinschaftsgarten genutzt, dessen Produkte vor Ort verkauft werden, oder an lokale Geschäfte. Auch rare Pflanzen, die kaum noch angebaut werden, würden hier gehütet und ihr kostbares Saatgut bewahrt und weiter gegeben. Das restliche Drittel werde verpachtet, gegen 60 Euro Jahresgebühr – die Warteliste sei lang. Ein Künstlerin hat ein „vepackungsarmes Café“ aus Stampflehm und Europaletten gebaut, bei dem allerdings noch eine Trinkwasserversorgung fehlt. Zumindest bis 2016 könne man die Fläche nutzen, wenn es mit dem Kaufhausdach doch noch klappt ggf. auch beide. Genug Interesse gäbe es, auch wenn die handtuchgroßen Beete für Menschen aus ländlicheren Gebieten eher ein Witz seien.
Freiräume werden auch hier rarer
Aus den Räumen des Baumhauses, dem kommerziellsten der vorgestellten Projekte, musste schon ein Künstler weichen, um an den rarer werdenden Freiraum zu gelangen. Dem US-amerikanischen Investor konnte man nach zähen Verhandlungen einen Zehnjahresvertrag abtrotzen, der Bank auf Grundlage eines Businessplans einen Kredit. Aber es gibt aktuell auch noch städtische Förderung – später will man versuchen, auf eigenen Füßen zu stehen. In der kargen Fabrikhalle soll ein ökologisch gestaltetes Veranstaltungszentrum entstehen, dass zum Treffpunkt für nachhaltige Projekte werden soll – man will u. a. Platz für einschlägige Seminare und Treffen von NGOs anbieten.
Hier diskutieren die Teilnehmer/innen des Rundgangs einige Grundfragen, die die Träger der sich entwickelnden neuen Ökonomien bewegen: Wie kommerziell darf man sein, wie gemeinnützig muss man sein? Macht der Aufwand, Fördergelder zu beantragen, Sinn oder soll man lieber versuchen, sich selbst zu tragen? Wie konkret muss man die gemeinsamen Ziele in einem Projekt formulieren und diskutieren und wieviel Freiheit sollte es geben, seiner Euphorie einfach freien Lauf zu lassen? Wie bindet man Menschen mit unterschiedlichen Interessen, Fähigkeiten und auch zeitlichen Möglichkeiten, sich zu engagieren, am besten ein? Wie kombiniert man individuelles Engagement mit der Arbeit in einer Gruppe? Wie soll so eine Gruppen- und Strukturbildung von statten gehen?
Vernetzung der Neuen Ökonomien als zentraler Punkt
Ein zentraler Punkt ist die Vernetzung der diversen Projekte, die wie Pilze aus dem Boden schießen, oft spontan ohne jede Anbindung an andere Engagierte. Die Transition-Town-Bewegung mit ein paar Eckregeln bietet ein gemeinsames Dach, unter dem sich solche Projekte bündeln können, um Synergieeffekte zu erzeugen. Eine andere ist, sich in die Green Maps einzutragen, wo solche Projekte weltweit gesammelt werden. Wichtig sei auch die Einbindung von bereits existierenden Projekten, die schon immer nach sozialen und nachhaltigen Prinzipien gearbeitet haben, wie regionale Handwerker und Familienbetriebe, die oft in ökonomische Nischen gedrängt wurden und ums Überleben kämpfen. Dazu gehören auch Projekte aus früheren Ausbruchsbewegungen wie aus den 1970ern.
Einig ist man sich, dass es im Moment wieder eine Zeit der Euphorie für nachhaltige Projekte und auch ehrenamtliches Engagement für eine bessere Welt sei. Selbst Leute mittleren Alters, die sich bisher nirgendwo engagiert hätten fänden es spannend, Teil der neuen Bewegung zu seinen. Überhaupt gäbe es enormes Interesse von Menschen, die bisher noch nirgendwo aktiv sind. Eine Frau aus der Gruppe beispielsweise ist als Nachbarin dazugestoßen, die die Aktivitäten der Wedding-Wandler beobachtet hatte und selbst etwas tun wollte.
Dieses lokale Engagement vor Ort, wo man auf Projekte zugeht, auf einschlägigen Veranstaltungen die Aktiven trifft und sein eigenes Projekt vorstellt, wird oft mit der Nutzung des Internets über Websites und Social Media kombiniert, wo man sich ebenfalls vorstellen und vernetzen kann.
Lokale Lebensmittelretter/innen
Weiter gehen wir vorbei am Stadtbad Wedding, das seit einiger Zeit mit alternative Musikveranstalltungen auch Hipster aus der Mitte der Stadt anlockt. Der Sammelpunkt des Foodsharing-Projekts in einem intakten, beige gekachelten und recht großzügigen Verwaltungsgebäudekomplex aus den 1930ern, ist verschlossen. Hier residieren heute Künstler und Vereine – aber dem betreffenden Fairteiler-Verein sei gerade gekündigt worden. So sei man sich nicht sicher, ob hier noch gerettetes Essen abzuholen sei. So gibt es vor der Tür eine Einführung in die Foodsharing-Bewegung. Diese habe sich in den letzten Jahren professionalisiert, mit Vor- und Nachteilen.
Die Spontanität fehle etwas, dafür werden von den organisierten Helfer/innen, die einen Ausweis bekommen, bei diversen festen Kooperationspartnern Tonnen an noch essbaren Lebensmitteln abgeholt, die nicht mehr zu verkaufen sind und sonst im Müll landen würden. Es gäbe feste Verträge und einen Haftungsausschluss für die Partner, die nicht für eventuelle Lebensmittelvergiftungen verantwortlich sein wollen. Die geretteten Lebensmittel würden unter Freunden und an festen Abholpunkten, an denen es seit einiger Zeit auch Kühlschränke gibt, verteilt. Letztere werden auch gepflegt, um einen hygienischen Standard einzuhalten. Zu den Partnern gehören große Biolebensmittelketten, türkische Supermärkte, kleine Bäckereien und Märkte. In Verhandlung sei man auch mit den klassischen Supermarktketten. Man sehe sich ausdrücklich nicht als Konkurrenz zu den Tafeln, die ebenfalls feste Zulieferer hätten, und reichlich ausgestattet seien.
Gemeinnütziger Lastenradbau
Wir laufen über ein alternativ genutztes Fabrikgelände, vorbei an der Wiesenburg Wedding, deren Gelände auch demnächst verkauft werden soll, wenn auch mit Auflagen, vorbei an einem trostlosen Lidl-Gelände und durch eine noch trostlosere Hauptstraße mit Schnäppchengeschäften. Die Nachkriegshäuser sind teilweise frisch grellbunt bemalt. An einem mausgrauen und völlig schmucklosen, aber ebenfalls neu verputzten Haus weist ein kleines, knallrotes Schild auf eine Moschee hin.
An einem 50er- oder 60er-Jahre-Flachbau hinter einem kleinen Park prangt schon von weitem die Aufschrift: Haus der Jugend. Hier ist die Stadt aktiv, bietet Veranstaltungen für die Kids aus der Umgebung an, aber auch Freiraum für Projekte. In den Kellerräumen, die früher zur Lagerung dienten, quetschen sich Proberäume neben eine Holz- und eine winzige Metallwerkstatt. Deren Raum wird dominiert von einer altertümlichen grünen Bohrmaschine Marke „Flott“ und ist mit diversen Metallteilen und Fahrrädern vollgestellt. Hier entsteht gerade ein neues Projekt: Lastenräder.
Der Prototyp ist an die XYZ-Spaceframe-Vehicles angelehnt, deren Open-Source-Pläne Hannes selber weiter entwickelt hat. Hier wird mit Schraubverbindungen gearbeitet, um das Problem mit dem Schweißen zu umgehen, das für Laien schwer zu bewältigen ist. Stolz wird der erste Rahmen herumgereicht. Zwar zieht sich alles länger als gedacht, aber man habe sich als ein gutes Team entwickelt und habe noch große Pläne: Dem Prototyp sollen nach der Erprobungsphase weitere selbstgebaute Lastenräder folgen. Beim Bau will man dann auch die Kinder und Jugendlichen aus den „Haus der Jugend“ einbinden. Die Räder sollen an passenden Transition-Town-Projekten im Viertel geparkt werden und über ein Verleihsystem nicht nur für die verschiedenen Initiativen, sondern auch Privatpersonen kostenlos ausgeliehen werden. Darüber sollen auch die Netzwerke gestärkt werden, weil man so miteinander zu tun hat.
Nach der Rückkehr gibt es in den angemieteten Vereinsräumen noch drei Angebote: Der lokale Tauschring erzählt über sich, ein Upcycling-Workshop wird angeboten und wer nur noch Hunger hat und nicht mehr aufnahmefähig ist, kann in der Küche schnippeln helfen: Aus geretteten Lebensmitteln soll eine Suppe gemacht werden, die zum Abschluss an alle serviert wird. Es wird um eine Spende für die – geringe – Raummiete gebeten. Schon während des Spaziergangs hatte es einen regen Austausch der Teilnehmer/innen untereinander gegeben, der jetzt noch einmal vertieft wurde. Eine Stadtgärtnerin hatte auch noch Saatgut dagelassen, sorgfältig beschriftet und mit Anleitung, das ebenfalls Interessent/innen fand.
Galerie: Kleiner Spaziergang durch den Wedding
Website Wedding Wandler der Transition Town Gruppe Wedding
Hintergründe und Links zur Transition-Town-Bewegung
„Wir sind keine Minderheit und auch keine schweigende Mehrheit. Wir sind eine zum Schweigen gebrachte Mehrheit“ sagte die US-amerikanische Radio- und Fernsehmoderatorin Amy Goodman in ihrer Keynote. Sie meinte damit all die Menschen, die sich aktiv für eine bessere Welt einsetzen, gegen den aktuellen Status Quo kämpfen, sei es in ihrem Umfeld, national oder global. Deren Existenz käme in den US-Medien kaum bis gar nicht vor, so Goodman. Vor dem Irakkrieg zum Beispiel seien in den großen Medien 390 Interviews zum Thema geführt worden – nur drei davon mit Kriegsgegnern. Die Stimmung in der Bevölkerung war laut Meinungsumfragen 50 / 50. Mit ihrem Sender Democracy Now! will sie diese verschwiegenen Stimmen hörbar machen.
Diese Grundidee, die schlummernde politische Kraft in der Bevölkerung sichtbar zu machen und so zusammenzuführen, dass die Mächtigen diese Meinungen nicht mehr ignorieren können, ist auch die Grundidee von Campact. Sie wollte die dem neuen Medium Internet innewohnende Kraft nutzen, wie es schon das Vorbild MoveOn.org aus den USA getan hatte. Mit Online-Petitionen sollte gezeigt werden, dass viele Menschen in der Bevölkerung bestimmte Vorstellungen von kleinen und großen Entwicklungen in der Gesellschaft haben, die die Politiker in einer Demokratie zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen haben.
Wie soll unsere Demokratie gestaltet werden?
Nachdem man sich auf der Gala anlässlich des Geburtstags ein bisschen selbst gefeiert hatte, wurde auf der Konferenz am Samstag wurde nach zehn Jahren in mehreren Podiumsdiskussionen eine kritische Zwischenbilanz gezogen: Was ist gut gelaufen und was nicht so? Wie kann man das Konzept in Zukunft verbessern? Welche Fragen müssen gestellt werden? Wie kann man auch global besser zusammenarbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen? Welche Ziele sind das überhaupt?
Auch wenn die Anwesenden alle in der Grundfrage übereinstimmten, dass die Meinungshoheit der Eliten gebrochen werden muss, und dass die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung eine Stimme finden müssen, gab es durchaus unterschiedliche Standpunkte.
Bei einer Podiumsdiskussion zum Nutzen von Online-Aktivismus sagte Ben Brandzel, Mitgründer von MoveOn.org, er wolle eine funktionierende repräsentative Demokratie herstellen. Dazu nutzt er Methoden, wie sie seit knapp 100 Jahren in der US-amerikanischen Konsumforschung entwickelt worden sind und inzwischen auch zur Befragung zu politischen Themen verwandt werden. Die Umweltaktivistin Hanna Poddig hatte dagegen deutlich radikalere Vorstellungen von gesellschaftlichem Wandel. Ihre Ideen gehen eher in Richtung Basisdemokratie und Anarchie.
Wie kann man Menschen erfolgreich in den demokratischen Prozess einbinden?
Auch wie sich eine erfolgreiche und stetig wachsende Organisation wie Campact selbst kannibalisiert und auch kleiner Themen beiseite gedrängt werden stand zur Debatte: Wenn es Petitionen mit Tausenden von Unterschriften gibt, nimmt kein Politiker ein paar Hundert mehr zur Kenntnis. Wenn über Wichtigkeit von Themen ein breiter Konsens gefunden werden muss, gehen spezifischere bzw. im Vergleich zur Mehrheitsmeinung radikalere Forderungen unter.
Lösung könnte zum Beispiel kreativere Methoden sein, diese Themen zu präsentieren. So nannte Brandzel ein Beispiel, bei dem online jeweils 45 Stimmen aus einem Viertel zusammengetragen wurden und von einer beteiligten Person persönlich zu ihrem / ihrer lokalen verantwortlichen Politiker/in ins Büro gebracht werden. Die Besucher gaben sich hier quasi die Klinke in die Hand und waren so präsent, dass die Politiker/innen dem Thema stellen mussten. Und auch die Unterzeichner/innen wurden mehr einbezogen und übernahmen Verantwortung. Viele von ihnen hätten zum ersten Mal ihre zuständigen Kommunalpolitiker/innen besucht, erzählte Brandzel.
Überhaupt wollte man online und real life nicht trennen – die neue Technologie sei nur ein weiteres Mittel, Menschen über nutzbare Kommunikationswege zu erreichen. Auch zum Vorwurf der Oberflächlich von Online-Petitionen wurde das Für und Wider diskutiert, ebenso ob Engagement online eher von einem in der Community abhalte oder „unpolitische“ Menschen zu mehr Engagement bewege konnte nicht geklärt werden, da es dazu keine Statistiken gäbe. Man war sich einig, dass die Online-Kommunikation auf jeden Fall ein Mittel ist, das man (auch) zur Mobilisierung nutzen sollte, weil es, wie Brandzel sagte, eben schnell, leicht zugänglich und skalierbar – das heißt, größere Mengen an ausgesandten Mails sind nicht teurer und kosten nicht mehr Aufwand – ist.
Bei einer weiteren Podiumsdiskussion zum Thema Überwachung diskutierten Peter Schaar, Anne Roth und Konstanze Kurz unter anderem darüber, wie man abstrakte Themen greifbarer machen kann, so dass Menschen auch das Gefühl dafür bekommen, wie sie davon betroffen sind. So sei die NSA-Überwachung durch Edward Snowden personalisiert worden und die Kampagnen zum Thema liefen sehr erfolgreich.
Gesellschaftliche Meinungsbildung braucht nicht nur Aktivismus, sondern auch Zeit
Heribert Prantl hatte gleich zu Beginn darauf hingewiesen, dass man natürlich nicht erwarten kann, dass man eine Petition startet oder wie er einen Kommentar schreibt, und die Dinge ändern sich sofort. Aber man könne Menschen auf ein Thema aufmerksam machen und sie dafür sensibilisieren. So hat er das Gefühl, dass sein und das Engagement vieler anderer gegen die Flüchtlingspolitik über die letzen zwei Dekaden einen Meinungsumschwung bewirkt habe. Viel mehr Menschen fänden heute zum Beispiel die Tatsache, dass Flüchtlinge an Europas Außengrenzen zu Tausenden sterben als empörend.
Auch jenseits der Podien entwickelten sich zahlreiche interessante Gespräche. In einer offenen, freundlichen und aufgeschlossenen Atmosphäre entstanden viele fruchtbare Gespräche zwischen den Teilnehmer/innen – unter den Besucher/innen und auch den Campact-Mitarbeiter/innen, die sich „unters Volk“ mischten, soweit sie nicht mit Organisatorischem beschäftigt waren, und auch der eine oder die andere Podiumsdiskutant/in kam dazu. Über ein Altersspektrum von Teenager bis hochbetagt fanden Gleichgesinnte Anknüpfungspunkte für Austausch und Kooperationen.
]]>Am Nachmittag stellten im Rahmen eines „Suppentalks“ in der Heinrich-Böll-Stiftung noch diverse in- und ausländische Projekte ihre Arbeit vor. Zuvor hatte der Filmemacher Valentin Thurn („Taste the Waste“) über seine neuen Projekte informiert. Mehr dazu demnächst auf Plan A(lternative). Unten ein paar Eindrücke von der Abschlusskundgebung vor dem Kanzleramt.
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