Über 1000 neue Lizenzen für US-Community Radios nach historischem Sieg der unabhängigen Radiobewegung

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Terrestrisches Radio wurde in der westlichen Welt schon vor Jahrzehnten als zentrales Medium von Fernsehen und jetzt durch Internet verdrängt. Aber noch immer schalten die US-Amerikaner mindesten einmal die Woche das Radion ein, speziell die Armen und marginalisierte Gruppen nutzen es intensiver. So hat gerade der Bürgerfunk bzw. das Community-Radio eine zentrale Funktion auch in dieser Medienlandschaft: Es ist das dritte Standbein des Radios neben kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Sendern.

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Hier werden zum einen Nischengruppen bedient, die sich in der Mainstream-Medienlandschaft nicht wiederfinden – zum anderen können diese hier selbst aktiv werden. So stärken diese Sender diese Communitys in ihrem Selbstbewusstsein und befähigen deren Mitglieder, die bisher keine eigene Stimme hatten zur Medienproduktion. Andere Themen, Darstellungsformen und Perspektiven finden einen Platz. Gerade unter jungen progressiven Aktivistinnen wird Radio seit einigen Jahren wieder populär, nachdem diese sich in den 1990ern mehr auf das Internet konzentriert hatten und Community Radio mehr zur Domäne konservativer und rechter Gruppen geworden war.

Größte Verbreitung von Community Radio in der Geschichte der USA

Nach gut zehnjährigem Kampf wurde Anfang Juli die Ausschreibung von über 1000 neue Radiolizenzen für UKW-Sender unter 100 Watt (Low Power FM) in ländlichen und auch Metropol-Gebieten bekannt gegeben – in letzteren könnten über so mehre tausend Hörer erreicht werden. Der Local Community Radio Act als Grundlage war schon im Januar 2011 verabschiedet worden. Vom 15.-29. Oktober können sich nun entsprechende Initiativen bei der Federal Communications Commission bewerben. Das gilt als größte Verbreitung von Community Radio in der Geschichte der USA.

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Unterstützt werden sie durch Prometheus Radio. Die 1998 gegründete Organisation aus Philadelphia, die aus der Piratenradio-Bewegung der 80er und 90er entstanden war und sich den Kampf gegen Medienkonzerne explizit auf die Fahnen geschrieben hat, hatte den Kampf um die Ausschreibung neuer Lizenzen federführend gefochten. Sie und ihre Mitstreiter/innen hatten in dem im Jahr 2000 verabschiedeten Radio Broadcasting Preservation Act eine Diskriminierung der Community-Radios gesehen. Wegen angeblicher Überstrahlung anderer Frequenzen war die Vergabe von Lizenzen gerade in städtischen Regionen stark eingeschränkt worden. Prometheus Radio berät jetzt potentielle Bewerbergruppen und hilft beim Stellen der Anträge sowie technischen und organisatorischen Fragen.

Historische Chance zur Demokratisierung der Medien

Democracy Now!, eine populäre unabhängige Medienorganisation in den USA, die selbst als zunächst auf Community Radios und jetzt auch als Fernsehnachrichtensendung ausgestrahlt wird, schätzt die Ausschreibung der Lizenzen als historischen Sieg der unabhängigen Radiobewegung ein. Es sei die Medienmeldung des Jahres und eine einmalige Chance zur Demokratisierung der Medien, wie sie so in den nächsten 40 Jahren zumindest für das Medium Radio nicht wieder kommen wird.

Community-Radios bekommen in der Regel keine staatliche oder kommunale Unterstützung, sondern finanzieren sich aus Spenden der Hörer/innen, Mitglieder, von ideelle Unterstützer/innen und aus der Wirtschaft. Wikipedia listet für die USA derzeit 36 solcher Stationen, die unabhängig von Schulen, Krankenhäusern, Regierungsorganisationen oder festen Netzwerken operieren.

Grafik via Prometheus Radio

Viele der Stationen, die zumeist auch noch eine Lizenz für eine größere Reichweite haben, wurden in den 1960ern und 1970ern gegründet, als es eine starke ideelle Unterstützung im Land für experimentelles und Künstlerradio gab, sowie stärkere Bestrebungen, die Medien zu demokratisieren. In den letzten 30 Jahren wurden wenn überhaupt Radiolizenzen zumeist nur noch für Low Power UKW-Radio, also einer Sendeleistung von unter 100 Watt, ausgestellt. Diese sind nur im einem Umkreis von ca. fünf Kilometern gut empfangbar, mit etwas Glück im dreifachen Umfeld.

Die Bandbreite der thematischen Schwerpunkte geht von Künstlerradio über politische Aktivist/innen, kommunale Gruppen, Musiksender, christliche Sender, Agrarnachrichten bis zu Gruppen mitgrantischer und / oder prekär beschäftigter Arbeiter/innen, die ihre Communitys mit Informationen über Alltagsdinge, aber auch ihre Rechte versorgen. Viele sind in den Organisationen National Federation of Community Broadcasters oder der Grassroots Radio Coalition zusammengeschlossen.

Problematisch für die freien Radios mit UKW-Frequenzen könnte die auch in den USA vorangetriebene Umstellung auf Digitalradio werden. Hier ist allerdings nicht die Einführung von DAB+ geplant, sondern einer parallel entwickelten Technologie, HD Radio. Diese wird als noch problematischer bewertet: Zum einen ist sie proprietär, also man muss Lizenzgebühren zahlen, zum anderen liegt sie über dem „normalen“ UKW-Band (während DAB+ mit ungenutzten Fernsehfrequenzen arbeitet) und stört andere UKW-Sender.

  • Prometheus Radio
  • Bericht bei Democracy Now
  • Ausführlicher Kommentar der Journalistin und Radioaktivistin Amy Goodman
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    Bildquellen: Prometheus Radio / Barbara Mürdter

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