von Dezember 12, 2013 0 Kommentare Mehr →

Chemie in Klamotten: Neue Greenpeace-Kampagne gegen PFC in Outdoor-Kleidung

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Moderne Outdoorkleidung ist praktisch: Sie hält warm, weist Wind und Regen ab, sind atmungsaktiv und ist im Idealfall auch bequem, leicht und unempfindlich. Aber wie eine aktuelle Untersuchung von Greenpeace jetzt noch einmal unterstrich, haben diese angenehmen Eigenschaften einen Preis: Die eigentlich für Naturfreund/innen gedachten Klamotten stecken voller umwelt- und gesundheitsschädlicher Chemie.

Outdoorjacke / Foto: Graf Foto, ikipedia

Outdoorjacke / Foto: Graf Foto, Wikipedia

Das beanstandete Problem sind konkret perfluorierte Tenside (PFC), die vor allem bei der Herstelllung wasser-, aber auch öl- und schmutzabweisenden Textilien verwandt werden: Sie lassen die Freuchtigkeit, aber eben auch Verschmutzungen an der so behandelten Oberfläche von Jacken, Zelten oder Rucksäcken abperlen. Einge der verwandten polyfluorierten Verbindungen sind leicht flüchtig und machen sich durch Ausgasungen bemerkbar, die vor allem die Hersteller/innen abkriegen, was aber kaum kontrolliert wird. Andere PFC werden bei der Produktion oder beim Waschen in die Umwelt abgegeben und sind heute heute nicht nur in Flüssen, Seen und Trinkwasser in der besiedelten Welt, sondern selbst in der Arktis zu finden. Die nicht natürlich vorkommenden Stoffe sind für Lebewesen toxisch, reichern sich im Körper an und werden nur sehr langsam wieder abgebaut. Besonders die Langkettigen unter ihnen stehen im starken Verdacht, krebserregend zu sein und den Hormonhaushalt, das Immunsystem sowie das Erbgut zu schädigen. Greenpeace fand hohe, teilweise den gesetzlichen Grenzwert überschreitende Konzentrationen davon in den untersuchten Produkten.

Potentielle Gefährlichkeit seit den 1960er Jahren bekannt

Die potentielle Gefährlichkeit ist seit den 1960er Jahren bekannt, und die Anlagerungen in Körper und Umwelt können inzwischen genau nachgewiesen werden. Greenpeace weist nicht zum ersten mal im Rahmen ihrer Detox-Kampagne, die seit 2011 die Hersteller von Kleidung dazu bewegen soll, umweltschädigende Stoffe aus ihren Produkten wegzulassen, aus das Problem hin. Bereits im vergangenen Jahr hatte man 14 Regenjacken untersucht und war zu einem vergleichbaren Befund gekommen. Daraufhin hatten sich einige Hersteller auch zu einer reduzierung der Giftstoffe bekannt – allerdings offenbar mit unbefriedigendem Ergebnis. Schöffel, Patagonia und Marmot, die bereits eine verminderte Verwendung der Chemikalien ankündigten, gehören zu den beanstandeten Marken, ebenso wie North Face, Salewa, Adidas und VAUDE. Dabei hatten sich bereits vor zwei Jahren 17 große Textilmarken wie H&M, Levis oder Mango verpflichtet, spätestens ab 2020 auf diese Chemikalien zu verzichten. Das ist allerdings leichter möglich, wenn nicht Regen- und Windfestigkeit des Produkts im Mittelpunkt steht.

Wie die Hersteller ihren Produkten die Wind- und Regenfestigkeit verleihen, müssen sie nicht angeben.

Wie die Hersteller ihren Produkten die Wind- und Regenfestigkeit verleihen, müssen sie nicht angeben.

Die Hersteller klagen, es gäbe keine Materialien, die keine PFC enthielten und vergleichbare Eigenschaften hätten. So sagte ein Sprecher von Schöffel, dass mit dem Umstieg auf leichter abbaubarem PFC C6 (Kettenverbindung mit sechs Kohlenstoffmolekülen) von den jetzigen C8 die Haltbarkeit sinkt – mit der neuen, vergleichsweise umweltfreundlicheren Kollektion, die für 2014 angekündigt wurde, können die Sachen nur noch ca. 15 Mal gewaschen werden, bis sie ihre wasserabweisenden Eigenschaften verlören, ansatt vorher ca. 20 Mal. Und wie viel weniger schädlich sie sind als ihre langkettigeren „Artgenossen“ ist auch noch nicht nachgewiesen.

Altenativen suchen – und finden

Jedoch gibt es inzwischen Produzenten, die zumindest annähernd vergleichbare Qualitäten ganz ohne PFC anbieten können, wie z.B. der neue Plastikstoff „Arnitel“ von Royal DSM aus den Niederlanden, oder auch das schon länger verwandte Sympathex, ursprünglich von der Enka-Glanzstoff-AG in Wuppertal entwickelt. Die Schweizer Firma Stolz hat mit dem Produkt EtaProof sogar ein Baumwollgewebe entwickelt, das vorrangig durch ein dichtes Verweben regen- und winddicht ist. Auch Vaude hat mit Ceplex eigenes umweltfreundlicheres Material entwickelt. Als Membran benutzt man bei der Firma Sypathex. Ist der Anspruch jedoch dauerhafte Wasserdichte (DWR), gäbe es bisher keine PFC-freie Technik, so die Firma.

Es gibt auch andere Hersteller, die schon länger Outdoorkleidung anbieten, bei der möglichst auf alle umwelt- und gesundheitsschädigenden Stoffe verzichtet wird, zu denen neben den PFC auch Weichmacher und antibakterielle Behandlungen mit Silberderivaten etc. zählen. So setzt u.a. die U.S.-Firma Gramicci schon seit mehreren Jahren auf verstärkte Umweltfreundlichkeit. Sie verwendet inzwischen 70% Naturstoffe wie Hanf bzw. Mischungen aus diesen und recycleten Materialien. Allerdings stellen sie keine explizit regen- und windresistente Kleidung aus ihrem Material her, sondern eher das Darunter. Andere Firmen wie Öko-Tex haben sich zumindest einen verantwortungsvollen Umgang mit den Chemikalien auf die Fahnen geschrieben, kommen offenbar aber noch nicht ohne sie aus. Traditionell wird naturbelassene Wolle / Filz mit Wollfett (Lanolin) behandelt, um sie wasserdicht zu machen. Zudem war das Verweben verschiedener Blätter bzw. Stroh oder Flachs weltweit eine jahrtausendealte Traditionelle Methode, sich mit so hergestellten Capes vor Regen zu schützen. Das kann auch als Anregung genommen werden, umweltfreundliche Regenkleidung zu produzieren.

Drastische, aber ehrliche Bilder der Greenpeace-Detox-Kampagne // Grafik: Greenpeace

Drastische, aber ehrliche Bilder der Greenpeace-Detox-Kampagne // Grafik: Greenpeace

Einige der häufig verwandten, als besonders gefährlich geltende PFC sind inzwischen ins Visier der Europäische Chemikalienagentur (Echa) geraten und unterliegen besonderen Auflagen – die Verwendung von PFOS ist inzwischen eingeschränkt, über PFOA müssen Käufer informiert werden. Auch wollen Kaufhausketten wie H&M PFC-behandelte Waren aus ihren Regalen verbannen. Das Umweltbundesamt plant, ein völliges Verbot in der EU zu beantragen – laut taz könnte es bereits 2015 so weit sein. Auf der zum Amt gehörigen Website Reach-Info kann man Anträge herunterladen, mit denen sie die Hersteller befragen können. Laut taz arbeiten UBA und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zudem parallel an einer App, mit der Kunden die Giftigkeit direkt im Laden ermitteln können. Eine generelle Kennzeichnungspflicht für PFC gibt es bisher nicht.

Wer wirklich an seine eigene Gesundheit und die Umwelt denken will, nimmt für alles, was nicht regen- und winddicht sein muss sowieso Öko-Textilien aus Naturfasern. Und regen- und windresistente Kleidung, selbst wenn sie aus einem nicht PFC-belasteten Plastikstoff besteht, muss man nicht jedes Jahr neu kaufen, weil sich irgendeine Mode geändert hat. Zum erneuten Imprägnieren gibt es auch umweltfreundliche Produkte wie Nikwax. Selbst bei Kindern, die aus den Sachen herauswachsen, kann man auf Second Hand zurückgreifen. Und eigene abgelegte Kleidung, solange noch intakt, sollte man ebenfalls für die Second-Hand-Verwertung weitergeben. Sympathex kann wie eine PET-Flasche recyclet werden – muss dazu natürlich entsprechend entsorgt werden. Gore-Tex hält zwar lange, ist dann aber Sondermüll. Hier müssten – in allen Fällen – die Hersteller zur Rücknahme verpflichtet werden, wie es allgemein beim Recycling gefordert wird. Dann würden sich wahrscheinlich auch überraschend schnell umweltfreundlichere Techniken der Oberflächenbehandlung finden.

  • Aktueller Greenpeace Report zu PFC in Outdoor-Kleidung
  • Mitmachen bei der Greenpace-Kampgne gegen PFC: PFC – raus aus der Outdoor-Kleidung!
  • Schöne Zusammenfassung der Hersellerreaktionen auf die Kampagne von 2012 von Gut gerüstet – Der Blog für Outdoor-Ausrüstung
  • (Update)
    Update von Greenpeace zur Kampagne
    Update von Greepeace vom 10.7.2014

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